Zielgesellschaft: TOM TAILOR Holding SE; Bieter: TEAM TREUHAND GmbH
WpÜG-Meldung
Veröffentlichung des Tenors und der wesentlichen Gründe des Bescheids der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 07.08.2019 über die Befreiung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG von den Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Bezug auf die TOM TAILOR Holding SE, Hamburg
Mit Bescheid vom 07.08.2019 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (die 'BaFin') auf entsprechende Anträge die TEAM TREUHAND GmbH, München (der 'Antragsteller zu 1'), die Nörr & Stiefenhofer Steuerberatungsgesellschaft mbH, München (der 'Antragsteller zu 2'), die NSL NÖRR STIEFENHOFER LUTZ Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft bürgerlichen Rechts, München (der 'Antragsteller zu 3'), Herrn Dr. Torsten Fett, Frankfurt am Main (der 'Antragsteller zu 4'), und Herrn Dr. Alexander Tibor Ritvay, Berlin (der 'Antragsteller zu 5' und, zusammen mit den Antragstellern zu 1 bis 4, die 'Antragsteller'), gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG jeweils von der Verpflichtung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Kontrollerlangung an der TOM TAILOR Holding SE, Hamburg, zu veröffentlichen, sowie von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.
Der Tenor und die wesentlichen Gründe für die Befreiung werden nachfolgend wiedergegeben. Nebenbestimmungen wurden nicht getroffen.
Der Tenor des Bescheids der BaFin lautet wie folgt:
'Die Antragsteller werden gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die am 12.07.2019 im Zusammenhang mit der Abwicklung des Übernahmeangebots der Fosun International Limited, Hongkong, für die TOM TAILOR Holding SE, Hamburg, (folgend 'Zielgesellschaft') erfolgte Kontrollerlangung an der Zielgesellschaft zu veröffentlichen sowie von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.'
Der dem Bescheid der BaFin zugrundeliegende wesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem nachfolgend in Auszügen wiedergegebenen Teil 'A.' des Bescheids:
I. Zielgesellschaft
Zielgesellschaft ist die TOM TAILOR Holding SE mit Sitz in Hamburg, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter der Handelsregisternummer HRB 146032 (die 'Zielgesellschaft').
Das Grundkapital der Zielgesellschaft betrug zum 13.06.2019 EUR 42.344.795,00, eingeteilt in 42.344.795 auf den Namen lautende Stückaktien, die unter der ISIN DE000AOSTST2 zum Handel im regulierten Markt der Börse Hamburg zugelassen sind.
II. Antragsteller
Antragsteller zu 1 ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deutschem Recht mit Sitz in München, die im Handelsregister des Amtsgerichts München unter der Handelsregisternummer HRB 152237 eingetragen ist.
Antragsteller zu 2 ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deutschem Recht mit Sitz in München, die im Handelsregister des Amtsgerichts München unter der Handelsregisternummer HRB 87596 eingetragen ist.
Antragsteller zu 3 ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach deutschem Recht mit Sitz in München.
Die Antragsteller zu 4 und 5 sind natürliche Personen.
III. Beteiligungserwerb der Antragsteller
Am 01.04.2019 hat die Fosun International Limited mit Sitz in Hongkong, Volksrepublik China, (die 'Bieterin') eine Angebotsunterlage für ihr freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot zum Erwerb aller ausstehenden Aktien der Zielgesellschaft (das 'Übernahmeangebot') veröffentlicht. Nach der Darstellung in der Angebotsunterlage wurde der Antragsteller zu 1 als Treuhänder in die Abwicklung des Übernahmeangebots eingeschaltet, um bis zu 29,99 % der angedienten Aktien der Zielgesellschaft an eine Tochtergesellschaft der Bieterin und die darüber hinaus angedienten Aktien
der Zielgesellschaft an die Bieterin zu übertragen.
Im Rahmen der Abwicklung des Übernahmeangebots wurden am 12.07.2019 insgesamt 23.131.759 Aktien der Zielgesellschaft (entsprechend 54,63 % des Grundkapitals und der Stimmrechte der Zielgesellschaft) auf das Wertpapierdepot des Antragstellers zu 1 gebucht. Taggleich hat der Antragsteller zu 1 12.703.438 Aktien der Zielgesellschaft (entsprechend 29,99 % des Grundkapitals und der Stimmrechte der Zielgesellschaft) an eine Tochtergesellschaft der Bieterin und 10.428.321 Aktien der Zielgesellschaft (entsprechend 24,63 % des Grundkapitals und der Stimmrechte der
Zielgesellschaft) an die Bieterin übertragen.
Die Begründetheit der dem Bescheid zugrundeliegenden Anträge ergibt sich aus dem nachfolgend in Auszügen wiedergegebenen Teil 'B.' des Bescheids:
Den Anträgen war stattzugeben, da sie zulässig und begründet sind.
I. Befreiungsgründe
Die Antragsteller sind in Anbetracht der mit der Kontrollerlangung beabsichtigten Zielsetzung und des anschließenden Unterschreitens der Kontrollschwelle nach Abwägung ihrer Interessen gegenüber den Interessen der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft gemäß § 37 Abs. 1 Var. 2 und Var. 3 WpÜG im Hinblick auf die Erlangung der Kontrolle an der Zielgesellschaft am 12.07.2019 von den Pflichten aus § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG zu befreien.
Die tragenden Befreiungsgründe ergeben sich vorliegend aus § 37 Abs. 1 Var. 2 und Var. 3 WpÜG.
Zum einen ist die Befreiung von den Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG aufgrund der mit der Erlangung der Kontrolle verfolgten Zielsetzung i.S.d. § 37 Abs. 1 Var. 2 WpÜG gerechtfertigt.
Die Übertragung der 23.131.759 Aktien der Zielgesellschaft an den Antragsteller zu 1 erfolgte in dessen Eigenschaft als Treuhänder im Rahmen der Abwicklung des Übernahmeangebots. Diese Vorgehensweise diente der technischen Abwicklung des Übernahmeangebots und der dabei vorgesehenen taggleichen - und in der Angebotsunterlage beschriebenen - Weiterübertragung eines Teils der angedienten Aktien der Zielgesellschaft an eine Tochtergesellschaft der Bieterin. Diese kurzfristige Kontrollerlangung stellt insofern eine Abweichung vom typischen Fall der Kontrollerlangung dar, den der Gesetzgeber der Pflichtengestaltung des § 35 WpÜG zugrunde gelegt hat. Deshalb ist eine Befreiung gerechtfertigt, wenn die Kontrolle - wie vorliegend - lediglich formal erlangt und tatsächlich nicht ausgeübt wird.
Zum anderen ist die Befreiung von den Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG auch im Hinblick auf das kurzfristige Wieder-Unterschreiten der Kontrollschwelle i.S.d. § 37 Abs. 1 Var. 3 WpÜG gerechtfertigt.
Der Antragsteller zu 1 hat durch die Weiterübertragung eines Teils der angedienten Aktien der Zielgesellschaft an eine Tochtergesellschaft der Bieterin und des Rests der angedienten Aktien der Zielgesellschaft an die Bieterin die Kontrollschwelle noch am Tag der Kontrollerlangung wieder
unterschritten und seine Beteiligung an der Zielgesellschaft wieder auf null (0) reduziert.
Es war nicht vorgesehen und der Antragsteller zu 1 hatte in Anbetracht der Dauer der Kontrolle auch keine Gelegenheit, die Stimmrechte aus den im Rahmen Abwicklung des Übernahmeangebots erlangten Aktien der Zielgesellschaft auszuüben. Der bloß kurzzeitige Erwerb der Kontrolle
verschafft gerade nicht die typischerweise mit dem Kontrollerwerb verbundene Rechtsmacht. Das taggleiche Unterschreiten der Kontrollschwelle i.S.d. § 37 Abs. 1 Alt. 3 WpÜG rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung bei Erlangung der Kontrolle eine Befreiung von den
Verpflichtungen aus § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG.
Die für den Antragsteller zu 1 einschlägigen vorgenannten Befreiungsgründe kommen den Antragstellern zu 2 bis 5, welche die Kontrolle über die Zielgesellschaft nur mittelbar durch den Antragsteller zu 1 erlangt haben, in gleicher Weise zu Gute. Anderweitige Interessen der Antragsteller zu 2 bis 5 oder Anhaltspunkte, die für die Antragsteller zu 2 bis 5 eine vom Antragsteller zu 1 abweichende Beurteilung erfordern würden, sind nicht ersichtlich.
II. Ermessensabwägung
Die Erteilung der Befreiung liegt im Ermessen der BaFin.
Nach Abwägung der Interessen der Antragsteller einerseits und der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft andererseits, ist eine Befreiung von den Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG gerechtfertigt.
Die im Rahmen des § 37 Abs. 1 WpÜG vorgeschriebene Ausübung behördlichen Ermessens durch Abwägung der Interessen der Beteiligten ergibt vorliegend, dass das Interesse der Antragsteller an der Befreiung von den vorgenannten Pflichten, namentlich die Vermeidung des mit der Abgabe eines
Pflichtangebotes verbundenen Kosten- und Zeitaufwandes, das Interesse der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft an der Abgabe eines solchen Angebotes deutlich überwiegt.
Die Antragsteller haben ein berechtigtes Interesse daran, nicht wegen des kurzzeitigen Kontrollerwerbs aufgrund der Einschaltung des Antragstellers zu 1 als Treuhänder für die Abwicklung des Übernahmeangebots ein Pflichtangebot abgeben zu müssen, da sich an der materiellen Kontrollposition in Bezug auf die Zielgesellschaft nichts geändert hat und sich die außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft nicht auf eine durch den Kontrollerwerb seitens der Antragsteller bedingte strategische Neuausrichtung der Zielgesellschaft einstellen müssen. Vielmehr beschränkt sich die Rolle des Antragstellers zu 1 auf eine vorübergehende, technische
Kontrollerlangung zur Abwicklung des Übernahmeangebots und Weiterübertragung eines Teils der angedienten Aktien an eine Tochtergesellschaft der Bieterin, so dass es nicht sachgerecht wäre, die
Antragsteller mit den Kosten und dem Zeitaufwand eines Pflichtangebotes zu belasten.
Dem stehen auf Seiten der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft keine schutzwürdigen Interessen gegenüber. Die Einschaltung von Abwicklungsstellen bzw. Treuhändern in die Abwicklung von Übernahme- und Pflichtangeboten nach dem WpÜG ist insoweit vergleichbar mit der Einschaltung von Banken bei Kapitalerhöhungen. Kapitalerhöhungen unter Einräumung eines mittelbaren Bezugsrechts i.S.v. § 186 Abs. 5 AktG sind gesetzlich vorgesehen und in der Praxis üblich. Die Durchführung von Kapitalerhöhungen unter Einräumung eines mittelbaren Bezugsrechts i.S.v. § 186 Abs. 5 AktG dient dem Interesse einer erleichterten Kapitalbeschaffung unter Wahrung des Bezugsrechts aller Aktionäre und nicht der Änderung von Kontrollpositionen bei den betroffenen Aktiengesellschaften. Gleiches gilt für die Abwicklungsstellen bzw. Treuhänder bei Übernahme- und
Pflichtangeboten nach dem WpÜG. Demzufolge tritt das schützenswerte Interesse der außenstehenden Aktionäre an der Möglichkeit zur Desinvestition mithilfe eines Pflichtangebotes hinter dem Interesse der Antragsteller, die Veröffentlichung und Abgabe eines solchen zu vermeiden,
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