von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
In dem Spruchverfahren zu dem auf der außerordentlichen Hauptversammlung der innogy SE am 4. März 2020 beschlossenen verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out hatte die nunmehr als E.ON Verwaltungs GmbH firmierende Antragsgegnerin beantragt, diverse Unterlagen den Antragstellern und dem gemeinsamen Vertreter nicht zugänglich zu machen (unter Berufung auf § 7 Abs. 7 Satz 2 SpruchG), siehe: https://spruchverfahren.blogspot.com/2023/01/spruchverfahren-zum-verschmelzungsrecht_28.html
Der
gerichtlich bestellte Sachverständige Tönnes hatte zu dem Antrag
der Antragsgegnerin Stellung genommen. Er verweist zunächst darauf, dass
ein Wirtschaftsprüfer, der den Hauptaktionär bei der Verpflichtung nach
§ 327c II 1 AktG (Erstellung eines Übertragungsberichts) unterstützt,
keineswegs zu einem "Bewertungsgutachter" werde, sondern
Erfüllungsgehilfe des Hauptaktionärs bleibe. Er werde nicht als
neutraler Gutachter, sondern als Berater des Hauptaktionärs tätig.Vorliegend bestehe eine Herausgabeplicht jedenfalls
bezüglich aller Unterlagen, die der Hauptaktionär benötige, um seiner
Verpflichtung aus § 327c II 1 AktG nachzukommen.
Das Gericht hat mit einer "Anordnung nach § 7 Abs. 7 SpruchG" vom 28. April 2023 eine umfassende Vorlage von Unterlagen angeordnet. Vorzulegen sind demnach:
- Prüfungsberichte der innogy SE (Konzernebene) für die Jahre 2017 – 2019
- Prüfungsberichte der KELAG für die Jahre 2017 – 2019
- Planungsmodell innogy SE :
- Segmentebene : Überleitung der Jahresabschlüsse 2017 bis 2019 in das Planungsmodell (Bereinigungen)
- Mittelfristplanung 2020 bis 2022 vom 2. Dezember 2019, vorgenommene Plananpassungen (z.B. Synergien)
- Grobplanungsphase
- Zusammenstellung der Synergieeffekte bei innogy und E.ON und deren Verteilung auf beide Gesellschaften
- Überleitung der Planungen zu der Konzernplanung (Lean-Planing KPI’s, ergänzende Kennzahlen)
- Ableitung der integrierten Planungsrechnung (Bilanz, GuV, Kapitalflussrechnung)
- Berechnungen zum Zinsergebnis, der Steuerquote und der Minderheitenanteile
- Innogy Transfer Business (erneuerbare Energien, Gasspeicher, KELAG) sowie Vertriebsgeschäft Tschechien :
- Segmentebene : Überleitung der Jahresabschlüsse 2017 bis 2019 in das Planungsmodell (Bereinigungen)
- Mittelfristplanung 2020 bis 2022 vom 2. Dezember 2019, vorgenommene Plananpassungen (z.B. Synergien)
- Grobplanungsphase
- Zusammenstellung der Synergieeffekte bei innogy und E.ON und deren Verteilung auf beide Gesellschaften
- Plan-Ist-Vergleich für alle Segmente und die Sonderwerte für das Jahr 2019 und die Erläuterung der Abweichungen
- Überleitung der Planungen zu der Konzernplanung (Lean-Planing KPI’s, ergänzende Kennzahlen)
- Ableitung der integrierten Planungsrechnung (Bilanz, GuV, Kapitalflussrechnung)
- Berechnungen zum Zinsergebnis, der Steuerquote und der Minderheitenanteil
- Asset Liste für die Wachstumsplanung des Bereiches „Erneuerbare Energien“
- Auskunft zur Art und Weise der Bewertung des Sonderwertes „Innovation Hub“
Das Gericht begründet die Anordnung der Vorlage wie folgt:
"Die Vorlagepflicht folgt aus § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG.
Die Unterlagen sind grundsätzlich als entscheidungserheblich anzusehen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Schreiben vom 16.02.2023 Seite 10f verwiesen.
Die Vorlagepflicht an den Sachverständigen besteht uneingeschränkt.
Die Vorlagepflicht besteht gegenüber dem Gericht und ebenfalls gegenüber dem vom Gericht bestellten Sachverständigen, wobei es grundsätzlich ausreicht, die Unterlagen ausschließlich dem Sachverständigen zur Verfügung zu stellen (Verführt/Schulenburg in Dreier/Fritsche/Verführt, Spruchverfahrensgesetz, Kommentar, 2016, § 7 SpruchG RdNr. 89).
Dass die Unterlagen dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden, bedeutet noch nicht ohne Weiteres, dass die Unterlagen den Antragstellern – in vollem Umfang – zugänglich zu machen wären. Die Antragsteller und der gemeinsame Vertreter können nicht verlangen, dass ihnen sämtliche Unterlagen zugänglich gemacht werden müssen, die der Sachverständige bei seiner Begutachtung verwertet. Ein Anspruch besteht nicht, wenn das Gericht die Vorlage der Unterlagen nicht für erforderlich hält. Das Gutachten soll neben den allgemein dem Aktionär zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nur eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen und nicht sicherstellen, dass alle Einzelheiten der Berechnung nachvollzogen werden können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2004, I-19 W 5/03, 19 W 5/03, juris RdNr. 38).
Die Frage, welche konkreten Informationen aus den Unterlagen ggfls. der Geheimhaltung unterliegen könnten, wird sich letztlich erst nach Auswertung durch den Sachverständigen stellen, wenn es darum geht, ob bestimmte vertiefte Angaben aus den Unterlagen im Einzelnen benötigt werden, um das schriftliche Gutachten nachvollziehbar erscheinen zu lassen oder ob es ausreicht, dass die Informationen nachvollziehbar – unter Darstellung von Ergebnissen - verwertet werden, ohne dass sie im Einzelnen dargestellt werden müssen. Soweit Daten / Informationen im Einzelnen für die Darstellung benötigt werden, müßten sie aber konkret bezeichnet werden. In Zweifelsfällen müßte der Sachverständige ggfls. bei der Antragsgegnerseite Rücksprache nehmen, die dann ggfls. eine gerichtliche Entscheidung nach § 7 Abs. 7 Satz 2 SpruchG herbeiführen kann.
Dabei ist darauf zu verweisen, dass die fraglichen Unterlagen nicht generell dem Geheimnisschutz unterliegen und demgemäß in ihren wesentlichen Zügen auch in einem Gutachten dargestellt werden können. (...)"
LG Dortmund, Az. 18 O 25/20 AktE
Coriolix Capital GmbH u.a.. ./. innogy SE (jetzt: E.ON Verwaltungs GmbH)
111 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Martin Weimann, 10405 Berlin
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte Linklaters LLP, 40212 Düsseldorf
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