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Montag, 24. März 2025

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der WESTGRUND Aktiengesellschaft: Beweisbeschluss des LG Berlin II

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

In dem Spruchverfahren zu dem Squeeze-out bei der WESTGRUND Aktiengesellschaft hat das LG Berlin II die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet, nachdem die Angemessenheitsprüferin WollnyWP wegen Krankheit und kürzlichen Todes des Geschäftsführers, Herrn WP Christoph Wollny, nicht mehr angehört werden konnte. Das Gericht erklärte, dass es die Anhörung ehemaliger Mitarbeiter der Barabfindungsprüferin für nicht sachgerecht halte.

Mit Beschluss vom 4. März 2025 hat die Kammer Herrn WP Andreas Creutzmann, c/o IVA VALUATION & ADVISORA AG zum Gutachter bestimmt. Sein Gutachten soll sich insbesondere zu den nachfolgend aufgeführten Bewertungsfragen verhalten:

"1. Bewertungsmethode

Ist mit der Auffassung einer Mehrzahl von Antragstellern davon auszugehen, dass bei bestandhaltenden Immobiliengesellschaften wie der Westgrund eine Bewertung nach NAV/NRV einer Ertragswertermittlung nach IDW S1 vorzuziehen ist? Wo liegen im Einzelnen die Faktoren für das Auseinanderfallen des von der Bewertungsgutachterin ermittelten Ertragswerts und dem von der Gesellschaft verlautbarten NAV?

2. Planung

Ist die Planung im Hinblick auf den Umstand, dass sie möglicherweise anlassbezogen erstellt wurde, insgesamt als plausibel anzusehen? 

a) Zunächst stellt sich die Frage, vor welchem Hintergrund seitens der Gesellschaft beziehungsweise der Antragsgegnerin Für die Jahre 2020 ff., unterschiedliche Planungen existiert haben.

b) Sind die Barabfindungsprüferin angestellten Analysen zu der voraussichtlichen Entwicklung von Bevölkerung und Wohnflächennachfrage in den Gebieten, in denen die Gesellschaft im Juni 2021 Wohnungsbestände vermietet hat, zutreffend ? Diese fallen uneinheitlich aus, sehen im Ergebnis eine weiterhin steigende Nachfrage aber nur für die Wohnungsmärkte in Berlin und Wolfsburg. Bei der Beurteilung dieser Prognosedaten ist zwar zu berücksichtigen, dass die seither eingetretene tatsächliche Entwicklung nur in die Betrachtung mit einbezogen werden kann, wenn und soweit sie sich im Juni 2021 bereits abgezeichnet hat. Allerdings ist auffällig, dass für Leipzig trotz deutlich ansteigender Bevölkerung von einem Nachfragerückgang ausgegangen wird. Ob die dem zugrundeliegende Prämisse, dass der Trend zu mehr Eigentum gehe, angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der 2021 bereits absehbaren Preisentwicklung im Bereich der Kaufimmobilien, trägt, hält die Kammer für fraglich.

Die Prognosen für Berlin, den größten Standort der Gesellschaft, erscheinen mit einer einheitlichen Rate der Mietsteigerungen von nur 1,25 % sowohl im Bestand als auch bei Neuvermietungen (vgl. Prüfgutachten Tz. 371) eher verhalten und bedürften nach Auffassung der Kammer einer näheren Betrachtung. Unter Ausblendung des Mietendeckels dürfte die Annahme eines stärkeren Mietenrückgangs auch per Juni 2021 relativ fernliegend gewesen sein (vgl. Anmerkung in Rz. 109 des Prüfgutachtens).

3. Betafaktor

Die Kammer stimmt mit der von Bewerterin und Prüferin vorgenommenen Analyse überein, dass der originäre Betafaktor der Westgrund keinen geeigneten Schätzer für das zukünftige Risiko der Gesellschaft darstellt. Zwar war die Aktie börsennotiert, allerdings sorgte die frühe Ankündigung der Antragsgegnerin, einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre durchführen zu wollen, für eine Abkoppelung der Aktie von der allgemeinen Börsenentwicklung, sodass der Kurs nach dem 29. Dezember 2016 von der Erwartung der Durchführung der angekündigten Strukturmaßnahme und der nachfolgenden Abfindung geprägt war. Darüber hinaus war auch der Free Float und damit das Handelsvolumen nach der Übernahme der Anteilsmehrheit durch die Antragsgegnerin im Jahr 2015 nur gering.

Lassen sich gegenüber den vorhandenen Gutachten noch weitere Unternehmen als mögliche Peers der Westgrund identifizieren?

Falls dies nicht so ist, hält der Sachverständige den in Ansatz gebrachten Betafaktor für plausibel? Fraglich ist aus Sicht der Kammer insbesondere, ob bei der infolge der Corona-Pandemie naheliegenden Betrachtung eines 5-Jahresintervalls wegen des relativ niedrigen Betafaktors der Antragsgegnerin als Muttergesellschaft der Westgrund tendenziell nicht eher auf den Mittelwert des CDAX bei monatlichen Renditen von 0,27 zurückgegriffen werden sollte."

Der Squeeze-out bei WESTGRUND war bereits Ende 2016 angekündigt worden. Der dann (nach Jahren der Diskussion zwischen den Wirtschaftsprüfern) auf der Hauptversammlung am 9. Juni 2021 gefasste Übertragungsbeschluss wurde nach Verzögerung durch eine Anfechtungsklage schließlich am 3. November 2021 im Handelsregister eingetragen.

LG Berlin II, Az. 102 O 155/21
SCI AG u.a. ./. ADLER Real Estate Aktiengesellschaft
53 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Martin Weimann, 10405 Berlin
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte White & Case LLP, 60323 Frankfurt am Main

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