(14.06.2023) - Der BGH hat mit
Urteil vom 21.02.2023 (Az.: II ZB 12/21) u.a. entschieden, dass in dem zugrunde liegenden Fall eine Abfindung von Aktionären nach § 305 AktG allein anhand des Börsenkurses bestimmt werden konnte. Auch der Ausgleich nach § 304 AktG konnte vorliegend ausschließlich aus dem Börsenkurs abgeleitet werden. Der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW hat sich in seiner Sitzung am 13.06.2023 insoweit mit diesem Urteil auseinandergesetzt.
Der FAUB weist darauf hin, dass es nicht sachgerecht ist, zur Bestimmung von Abfindungen und anderen Angemessenheitsprüfungen ausschließlich auf den Börsenkurs abzustellen, ohne eine Zukunftserfolgswertermittlung durchzuführen.
Besonderheiten des entschiedenen Falles
Die vorgenannte Entscheidung erging zu einem Fall mit einer Abfindung in Aktien, basierend auf einer Umtauschrelation, die entsprechend dem kurz zuvor veröffentlichten Übernahmeangebot festgelegt wurde. Der konkret entschiedene Fall weist u.a. die folgenden wesentlichen Besonderheiten auf:
- Die beiden börsennotierten Unternehmen waren auf die Immobilienwirtschaft spezialisiert, die Zeitwerte der Assets (Immobilienwerte gemäß IFRS) waren öffentlich bekannt,
- die Anteile der danach beherrschten Aktiengesellschaft lagen bis kurz vor Bekanntmachung des Unternehmensvertrags in breitem Streubesitz,
- die Abfindung erfolgte in Aktien, d.h. es kam auf die Angemessenheit der Wertrelation an,
- die von dem entscheidenden Landgericht verwendete Relation der Börsenkurse war mit der Relation der gutachtlich ermittelten Ertragswerte nahezu identisch.
Typische Abfindungsfälle
Der typische Abfindungsfall ist nach den Erfahrungen des FAUB i.d.R. anders als der entschiedene Fall gelagert:
- Wertrelevante unternehmensinterne Informationen (z.B. mittel- und langfristige Unternehmensplanungen) sind dem Kapitalmarkt nicht bekannt und somit nicht im Börsenkurs reflektiert,
- empirische Untersuchungen zeigen, dass der Markt und die Börsenkurse kurzfristigen Stimmungen unterliegen und deshalb Börsenkurse den fundamentalen Unternehmenswert nicht widerspiegeln,
- abgefunden wird typischerweise in bar, d.h. es kommt auf die Angemessenheit des absoluten Werts an.
Bedeutung einer fundamentalen Unternehmensbewertung
Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung des FAUB geboten, eine fundamentale Unternehmensbewertung auf Basis mittel- und langfristiger Unternehmensplanungen sowie weiterer interner und externer wertrelevanter Informationen vorzunehmen. Da Börsenkurse und die ihnen zugrunde liegenden Marktinformationen und -erwartungen nur einen Teil der wertrelevanten Informationen umfassen, können sie eine fundamentale Unternehmensbewertung nicht ersetzen.
Es widerspricht nach Auffassung des FAUB dem Schutzzweck von Angemessenheitsprüfungen, Börsenkurse ohne Berücksichtigung der wertrelevanten internen und externen Informationen und ohne Durchführung einer fundamentalen Unternehmensbewertung als Beurteilungsbasis zu verwenden. Daher bleibt es aus Sicht des FAUB auch nach der Entscheidung des BGH vom 21.02.2023 notwendig, dass die Überprüfung der Angemessenheit durch einen Wirtschaftsprüfer anhand einer fundamentalen Unternehmensbewertung erfolgt.
Quelle: IDW