von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
In dem Spruchverfahren zu dem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bei der früheren AKASOL AG zugunsten des BorgWarner-Konzerns hat das LG Frankfurt am Main die Sache am 23. März 2023 verhandelt und mit Beschluss vom gleichen Tag die Spruchanträge zurückgewiesen. Erstinstanzlich gibt es damit keine Erhöhung der angebotenen Barabfindung.
Das Landgericht stellt in seiner Entscheidung maßgeblich auf die Börsenkurse ab. Die Heranziehung von Börsenkursen zur Bewertung in Spruchverfahren sei legitim und könne ausreichend sein, wenn es keine Anhaltspunkte - jedenfalls nicht zum Nachteil der Minderheitsaktionäre - für eine "ineffektive Bewertung" der dem Kapitalmarkt zugänglich gemachten Informationen gebe (S. 20).
Die (üblicherweise in Spruchverfahren angewandte) Ertragswertmethode habe zwar gegenüber der marktorientierten Bewertung nach Börsenkursen den Vorteil, dass sie auch der Öffentlichkeit nicht zugängliche, bewertungsrelevante Informationen etwa zur Unternehmensplanung, ausschließlich unternehmensintern zur Verfügung gestellte Informationen über die Konkurrenzsituation am Markt oder interne Informationen über noch nicht öffentlich bekannte Produktentwicklungen berücksichtigen kann und soll. Dabei sei jedoch die verfassungsgerichtliche Vorgabe einer Abfindung zu dem Betrag, den der außenstehende Aktionär bei einer "freien Deinvestitionsentscheidung" bzw. einer fiktiven Veräußerung am Markt zum Bewertungsstichtag bekommen hätte, zu berücksichtigen (S. 21). Der außenstehende Aktionär habe auch an dem nur unvollständig informierten Kapitalmarkt bei einer freien Deinvestitionsentscheidung praktisch keine Chance auf eine Realisierung potentiell werterhöhender, aber am Kapitalmarkt noch nicht bekannter Faktoren. Umgekehrt würden bei einer freien Veräußerung über die Börse im Rahmen der Preisbildung auch keine öffentlich noch unbekannten Risiken "entgegengehalten" (S. 21). Ein Abstellen auf den Börsenkurs bloß als "Untergrenze" bei einem etwaigen höheren Ertragswert laufe auf eine unbillige "Rosinentheorie" hinaus. Informationen und Mittel zur Ertragswertbewertung, die einem sachverständigen Prüfer im Vorfeld eines Spruchverfahren zugänglich gemacht werden, spielten für die allermeisten Aktionäre keine Rolle. Die Kammer verweist dabei auf Fleischer (AG 2015, 185, 195 unter Hinweis auf die Dissertation von Karami): "Kein rational handelnder Minderheitsaktionär wird seine Entscheidung ernsthaft davon abhängig machen, was der zum Bewertungsstichtag gültige IDW-Standard vorschreibe."
Auf die Anlagestrategie - so die von Ruthardt vorgeschlagene Differenzierung zwischen "Kurz- und Langfristanlegern" könne es nicht ankommen. Die subjektive Einschätzung eines "Langfristanlegers", der von ihm unterstellte "Daueranlagewert" sei höher als der aktuelle Wert (regelmäßig: der Marktpreis), sei verfassungsrechtlich nicht geschützt. Es bestehe nicht die Notwendigkeit, die von diesem "Langfristanleger" erwartete zusätzliche Gewinnchance bei der Abfindungsbemessung zwingend mitzukompensieren (S. 29).
Die Gefahr einer möglichen Beeinflussung des Börsenkurses durch den Mehrheitsaktionär, sei es durch gezielte Handelsaktivitäten, sei es durch eine "gesteuerte" (negative) Informationspolitik, sei im Grundsatz nicht von der Hand zu weisen (S. 29). Im Spruchverfahren sei fallbezogen zu prüfen, ob sich diese Gefahr im Einzelfall realisiert habe. Auch die Ertragswertmethode in der Prägung durch den IDW S 1 könne die Minderheitsaktionäre nicht vollkommen vor "Manipulationsmöglichkeiten" schützen.
Gegen die erstinstanzliche Entscheidung können die Antragsteller innerhalb von einem Monat ab Zustellung Beschwerde einlegen.LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23. März 2023, Az. 3-05 O 8/22
Hoppe u.a.. ./. BorgWarner Akasol AG (früher: ABBA BidCo AG)
50 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Martin Weimann, 10405 Berlin
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Freshfiels Bruckhaus Deringer, 60322 Frankfurt am Main
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