von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
In dem
Spruchverfahren zu dem auf der außerordentlichen Hauptversammlung der
innogy SE am 4. März 2020 beschlossenen verschmelzungsrechtlichen
Squeeze-outs (Verschmelzung auf die Hauptaktionärin E.ON Verwaltungs SE)
hat das Landgericht Dortmund die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Mit der Erstellung des Gutachtens wurde Herr WP Wolf Achim Tönnes, 48143 Münster, beauftragt.
Das Gericht hat von einer sonst üblichen Anhörung der sachverständigen Prüferin abgesehen. Zur Begründung verweise es darauf, dass die Prüfung der sachverständigen Prüferin aus Sicht der Kammer Bedenken begegneten. Die Ausführungen zur Verwendung von adjusted Betafaktoren seien geeignet, bei objektiver Betrachtung Zweifel an der hinreichenden Unvoreingenommenheit der sachverständigen Prüferin zu wecken. Zur Adjustierung führte nämlich die sachverständige Prüferin aus, es handele sich bei der Frage, ob eine Adjustierung vorzunehmen ist oder nicht, um gleichermaßen akzeptierte und praktizierte Vorgehensweisen (S. 107 des Prüfberichts). Bei der Adjustierung werde die Tatsache genutzt, dass empirische Studien für eine Vielzahl von Aktienmärkten und Zeiträumen ergeben hätten, dass Beta Faktoren sich im Zeitablauf zum Marktdurchschnitt und damit zum Markt-Beta Faktor von 1 entwickelten, verwiesen wird sodann auf Untersuchungen von Blume und Zimmermann aus den Jahren 1971 und 1997. Auf dieser Grundlage beurteilt die sachverständige Prüferin die Berücksichtigung von adjusted Beta-Faktoren durch die Bewertungsgutachterin als grundsätzlich angemessen. Demgegenüber führt die als sachverständige Prüferin beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in anderen Verfahren im engem zeitlichen Zusammenhang zum hiesigen Verfahren aus, dass der Rückgriff auf adjustierte Beta-Faktoren in der Bewertungspraxis eher unüblich sei, da die pauschal unterstellte langfristige Konvergenz von Beta-Faktoren in Richtung des Marktdurchschnitts weder theoretisch noch empirisch weiter belegt sei.
Bei objektiver Betrachtung entstehe der Eindruck, dass die als sachverständige Prüferin beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beliebig argumentiere, je nach dem, welches Ergebnis sie als sachverständige Prüferin stützen möchte. Da die Ermittlung des Beta-Faktors einer der wichtigen Parameter der Bewertung ist und die Adjustierung bei Raw-Betas unter 1 den Betafaktor nach oben zieht, führe das widersprüchliche argumentative Verhalten der sachverständigen Prüferin hier dazu, dass bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob die sachverständige Prüferin ihre Prüfungsleistung insgesamt hinreichend unvoreingenommen erbracht habe.
In dem einzuholenden Sachverständigengutachten sollen folgende Fragen geklärt werden:
a) Ergeben sich durch die für die Unternehmenswertermittlung erfolgte Trennung nach Bereichen Auswirkungen auf den Unternehmenswert zu Lasten der Minderheitsaktionäre ? Dies soll konkret überprüft werden, ggfls. ist auch vergleichsweise eine Gesamtbewertung vorzunehmen – dies zumindest überschlägig, wenn etwa im Hinblick auf unterschiedliche Grobplanungszeiträume nicht anders möglich.
b) (1) Ist die Dauer der Grobplanungszeiträume angemessen?
(2) Sind die Planannahmen insbesondere im Bereich der Grobplanung und des Terminal Value im Hinblick auf Marktstudien und zur Verfügung stehende Informationen plausibel?
Ist insbesondere die durch den Bewertungsgutachter vorgenommene Gewichtung der unterschiedlichen Szenarien der Dena-Studie 2019 plausibel, dies nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des angestrebten CO2-Preises, wie er in der Begründung zum Klimaschutzgesetz BT Drs. 19/14337 S. 23 vom 22.10.2019 zum Ausdruck kommt? (...)
(3) Sind die Annahmen zu den Kunden-Wechselquoten plausibel?
c) Wie genau entwickelt sich die RAB vom Beginn der Detailplanphase bis zum Terminal Value?
d) Ausgangspunkt für die Ermittlung der Marktrisikoprämie kann aus Sicht der Kammer die Empfehlung des FAUB zur Nachsteuermarktrisikoprämie von September 2012 sein. Ergeben sich anhand Zahlen nachvollziehbare Gründe für die Anhebung der Marktrisikoprämie im Oktober 2019?
Darzustellen ist auch die Vorsteuermarktrisikoprämie, die sich beim Ansatz einer bestimmten Nachsteuerrisikoprämie ergibt.
e)Eine Adjustierung des Betas erscheint aus Sicht der Kammer zweifelhaft. Insoweit verweist die Kammer auf die Ansicht des OLG Frankfurt in dem Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 21 W 34/12 –, juris RdNr. 87.
Der Sachverständige soll aber gleichwohl auch begründet zu der Frage Stellung nehmen, ob aus seiner sachverständigen Sicht eine Beta-Adjustierung vorzunehmen ist oder ob eine solche Adjustierung hier zumindest ein plausibles bewertungstechnisches Vorgehen darstellt.
f) Kann das eigene Beta der innogy SE zugrunde gelegt werden?
Ist der Beobachtungszeitraum für ein unverzerrtes Beta zu gering? Ab welchem Zeitpunkt ist von einer Verzerrung auszugehen? Ein solcher Zeitpunkt soll (auch) anhand von Chartanalysen und Liquiditätsbetrachtungen konkret begründet werden. (...)
g) Etwaige Peer Groups sind im Einzelnen zu begründen.
h) Ist der Ansatz eines Debt Betas gerechtfertigt? Wie ist das Debt Beta konkret zu berechnen?
i) Soweit sich bei Teilbewertung in Teilbereichen keine Peer-Unternehmen ermitteln lassen: wie ist ein Beta dann zu bestimmen ? Kann ein Scoring Modell verwandt werden oder ist das Marktbeta zugrunde zu legen? Oder wie sonst ist in diesem Fall ein Beta zu ermitteln?
j) Ist – bei Bewertung einzelner Bereiche – im Rahmen der Bestimmung des Betas der Ansatz von Länderrisikozuschlägen plausibel?
k) Welcher Wachstumsabschlag ist anzusetzen?
Welche unternehmens(bereichs)spezifischen Inflationsraten sind anzusetzen?
l) Als Ausgangspunkt für den Referenzzeitraum zur Ermittlung des Börsenkurses kann aus Sicht der Kammer der 4.9.2019 zugrunde gelegt werden.
Anmerkung: Sachverständige Prüferin war die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars.
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