von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Mit viel liebevoller Bösartigkeit hatte die Antragsgegnerseite versucht, den in dem bereits seit 2006 laufenden Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Degussa AG, Düsseldorf, gerichtlich bestellten Sachverständigen, Herrn Wirtschaftsprüfer Dr. Lars Franken (IVC Independent Valuation & Consulting), als befangen erklären zu lassen, vgl. unseren Bericht unter http://spruchverfahren.blogspot.de/2013/08/spruchverfahren-squeeze-out-degussa-ag.html .
Das Landgericht Düsseldorf hat dieses Unterfangen mit Beschluss vom 20. August 2013 zurückgewiesen. Dagegen hat die Kanzlei Allen & Overy für die Evonik Industries AG sofortige Beschwerde eingelegt, die nunmehr beim OLG Düsseldorf unter dem Aktenzeichen I-26 W 16/13 AktE anhängig ist.
In der sehr polemischen Beschwerdeschrift vom 24. September 2013 unterstellt Allen & Overy dem Sachverständigen, "seine Gutachtertätigkeit auf Kosten der Beschwerdeführerin für die Propagierung einer von ihm erdachten bewertungstechnischen Einzelmeinung" zu nutzen. Die Antragsgegnerseite bemängelt, dass der Gutachter zu einem "drastisch erhöhten Unternehmenswert der Degussa AG" gekommen sei (S. 8). Statt einem Peer-Group-Betafaktor (mit in der Regel lustig zusammen gestellten angeblichen Vergleichsunternehmen) habe der Sachverständige doch tatsächlich den unternehmenseigenen Betafaktor der Degussa AG verwendet. Die damit bewirkte Absenkung des Risikozuschlags lasse den Unternehmenswert der Degussa AG im Vergleich zur Ausgangsbewertung um EUR 2,79 Mrd. ansteigen.
Gegen diese aus Sicht der Antragsgegnerin völlig überhöhte Unternehmensbewertung hatte diese eine Auftragsgutachten erstellten lassen. Nachdem der Sachverständige vom Gericht um eine Ergänzung seines Gutachtens "unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten" gebeten worden war, merkte er u.a. an, "methodische und materielle Mängel" dieses Privatgutachtens aufarbeiten zu wollen. Daraus schloss die Antragsgegnerseite, dass es Herrn Franken alleine um die Zurückweisung gegen sein Sachverständigengutachten gerichteter Einwendungen gehe.
Zu einer weiteren Stellungnahme des Sachverständigen merkte Allen & Overy schön metaphorisch an, dass er "wie der Wolf in Grimms Märchen" rede, "der mit kreidezarter Stimme spricht, um seinen eigentlichen Plan nicht offenbar werden zu lassen." Nun ja, Bösartigkeiten sind den Parteien und deren Vertretern erlaubt.
Mit ihrem Vorgehen erreicht die Antragsgegnerseite prozessual eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens (und zerschlägt dabei viel Porzellan). Ob das wirtschaftlich wirklich sinnvoll ist, wird sich zeigen. Seit dem 1. September 2009 beträgt der Zinsanspruch gemäß § 327b Abs. 2 AktG 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (so dass eine Verzögerung des Spruchverfahrens durch die Antragsgegnerseite wirtschaftlich nicht mehr so interessant sein dürfte).
Im Übrigen erreicht die Antragsgegnerseite mit der Beschwerde, dass die "zeitlich konfligierende Tätigkeit" des Sachverständigen (wie berichtet im Kirch-Großverfahren gegen die Deutsche Bank), die von ihr zur Begründung des Befangenheitsantrags nachgeschoben worden war, keine Rolle mehr spielen dürfte.
LG Düsseldorf, Az. 31 O 89/06
OLG Düsseldorf, Az. I-26 W 16/13 AktE (Beschwerde Befangenheitsantrag)
Scholz u.a. ./. Evonik Industries AG (früher: RAG Projektgesellschaft mbH)
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin: Rechtsanwälte Allen & Overy LLP, 68163 Mannheim
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