Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 11. Dezember 2008Der Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlandesgerichts hat in einem Beschluss vom 9.12.2008 dem Antrag auf Zwangsausschluss von Minderheitsaktionären der Deutschen Hypothekenbank im Rahmen der Übernahme durch die Norddeutsche Landesbank gegen Gewährung einer Abfindung stattgegeben. Das Oberlandesgericht änderte damit eine anderslautende Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main ab, die am 5.8.2008 ergangen war.
Nach dem Gesetz können Minderheitsaktionäre auf zwei Wege ausgeschlossen werden (sog. Squeeze-out): Zum einen kann ein Mehrheitsaktionär, dem mindestens 95 % der Aktien gehören, nach den Vorschriften des Aktiengesetztes (AktG) die Minderheitsaktionäre per Hauptversammlungsbeschluss gegen Gewährung einer Abfindung ausschließen.
Zum anderen kann der Mehrheitsaktionär nach Übernahmerecht (WpÜG) vorgehen. Bei diesem übernahmerechtlichen Zwangsausschluss sind ihm auf seinen Antrag hin die übrigen Aktien zu übertragen, wenn ihm nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot Aktien in Höhe von mindestens 95 % des Grundkapitals gehören. Die dabei gewährte Abfindung ist als angemessen anzusehen, wenn der Bieter aufgrund seines Angebots 90 % des betroffenen Grundkapitals erworben hat (sog. Angemessenheitsregelung in § 39 a III 2 WpÜG).
Der Vorteil des übernahmerechtlichen Squeeze-out wird von der Wirtschaft darin gesehen, dass es keines Hauptversammlungsbeschlusses bedarf, der zudem von den Minderheitsaktionären gerichtlich angefochten werden kann. Darüber hinaus wird bei Erreichen der sog. 90 %-Erfolgsschwelle die Angemessenheit der Abfindung aufgrund der hohen Annahmequote vermutet. Kostenträchtige Sachverständigengutachten über die Frage der Angemessenheit sind überflüssig.
Die von § 39 a WpÜG abgeleitete Vermutung über die Angemessenheit der Abfindung hatte das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung für widerleglich gehalten. Es hatte deshalb den Übertragungsanspruch der Norddeutschen Landesbank zurückgewiesen, obwohl diese im Besitz von mehr als 95 % des Grundkapitals war und über 90 % der Aktien aufgrund des Angebots erworben hatte. Begründet hatte das Landgericht seine Entscheidung damit, dass es den Minderheitsaktionären gelungen sei, die Vermutung zu erschüttern und nicht festgestellt werden könne, ob die angebotene Abfindung angemessen sei.
Die Entscheidung war von der Wirtschaft teilweise ablehnend aufgenommen worden. Es wurde vorgebracht, das Landgericht mache den übernahmerechtlichen Zwangsausschluss praktisch unmöglich, weil sich die Minderheitsaktionäre selbst bei Erreichen der 90 %-Erfolgsschwelle durch ein Sachverständigengutachten wehren könnten.
In seiner Entscheidung vom 9.12.2008 hat das Oberlandesgericht die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage offen gelassen, ob es sich bei der Angemessenheitsregelung des § 39 a III 2 WpÜG um eine unwiderlegliche oder widerlegliche Vermutung oder eine Fiktion handelt. Für den zu entscheidenden Fall komme es auf diese Unterscheidung nicht an. Selbst wenn man zugunsten der Minderheitsaktionäre davon ausgehe, die Vermutung sei widerleglich, sei dem Übertragungsanspruch stattzugeben. Das Vorbringen der Minderheitsaktionäre und die Überlegungen des Landgerichts seien nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, dass die angebotene Abfindung angemessen sei.
Der Lösungsansatz des Landgerichts, das durch eigene überschlägige Berechnungen dazu gekommen war, die angebotene Abfindung sei unangemessen und die Vermutung deshalb erschüttert, sei systemwidrig.
Der Gesetzgeber habe durch den übernahmerechtlichen Squeeze-out ein möglichst rasches und unkompliziertes Verfahren zur Verfügung stellen wollen. Er habe zur Bestimmung der vollen Entschädigung die Erkenntnisse des Marktes bzw. Kapitalmarktes in Gestalt von Vorerwerbern und der Börsenkurse herangezogen und dies mit einer marktkonformen Anbindung an die 90 %-Erfolgsschwelle gekoppelt. Im Allgemeinen könne man danach davon ausgehen, dass das Erreichen dieser Schwelle die Marktkräfte widerspiegle und dieser sehr hohe Angebotserfolg unerreichbar sei, wenn dem Markt nicht der volle Ausgleich für die Aktien angeboten werde. Der hierin zu sehende "Markttest" ersetzte also alle betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden zur Ermittlung der angemessenen Entschädigung.
Damit sei es den Minderheitsaktionäre verwehrt, den vom Gesetzgeber für richtig gehaltenen Wertfindungsprozess - also den Markttest - lediglich zu bestreiten. Auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Frage, ob der vom Markttest bestätigte Angebotspreis zu niedrig sei, komme nicht in Betracht. Gerichtlich könne nur überprüft werden, ob der Markttest selbst ausnahmsweise keine Aussagekraft habe, weil die Kräfte des Marktes versagt hätten. Hierfür gebe es vorliegend jedoch keine Anhaltspunke.
Die Entscheidung ist rechtskräftig und kann in Kürze über die www.rechtsprechung.hessen.de abgerufen werden.
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.12.2008 - Aktenzeichen WpÜG 2/08