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Donnerstag, 30. Mai 2024

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Axel Springer SE: LG Berlin II will Sachverständigengutachten

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

In dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Axel Springer SE hat das Landgericht Berlin II (kürzliche Aufspaltung des LG Berlin für Zivilsachen) zunächst die Sache am 6. Februar 2024 mündlich verhandelt. Mit Beschluss vom 12. April 2024 hat das Gericht eine Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten angeordnet. Hierfür wurde Herr WP Dr. Lars Franken (c/o IVC Independet Valuation & Consulting Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Essen) zum Sachverständigen bestellt.

Der Sachverständige soll nach den Vorgaben des Gerichts prüfen, ob der Ertragswert der Axel Springer SE zutreffend berechnet worden ist. Im Einzelnen soll er folgende Fragen klären:

"Das Gutachten soll zu den folgenden Fragen beziehungsweise Aspekten der vorliegenden Bewertung Stellung nehmen:

1. a) Sind die dem Bewertungsgutachten für die Detailplanungsphase zugrunde liegenden Planungsannahmen konsistent und plausibel?

Dies gilt insbesondere für die in der geänderten Planung vom verarbeiteten Negativeffekte aufgrund der Corona-Pandemie – hier stellt sich auch unter Berücksichtigung der maßgeblichen ex-ante-Perspektive die Frage, ob die Änderungen sowohl nach dem Erkenntnisstand April 2020 (Zeitpunkt der Erstellung der Gutachten) als auch zum Bewertungsstichtag als vertretbar anzusehen waren.

Für zweifelhaft hält die Kammer insbesondere den Umstand, dass nach Vorlage der ursprüngli-
chen Planung aus dem Februar 2020 erkennbar ist, dass in der Neuplanung vom Juni 2020 – entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin davon ausgegangen wird – dass es bis zum Ende der Detailplanungsphase nicht zu einer vollständigen Aufholung der Konzernergebnisse auf den Planungsstand vor der Pandemie kommen wird. Dies ist vor allem angesichts der Prämisse, dass bei einer Bewertung nach IDW S1 von „mittleren“ Planannahmen auszugehen ist, kaum nachvollziehbar.

In diesem Zusammenhang ist auch die Plausibilität der in der Detailplanungsphase zur Realisie-
rung des dort angenommenen Wachstums vorgesehenen Investitionen zu überprüfen, zumal die EBIT-Margen nach der angepassten Planung vom Juni 2020 trotz dieses erhöhten Aufwand in den Segmenten Classifieds Media und News Media hinter den Werten der Jahre 2017/2018 zurückbleiben sollen.

b) Sind die Annahmen für die ewige Rente konsistent und plausibel?

Angesichts des zum Ende des Detailplanungszeitraums noch überdurchschnittlichen organischen Wachstums - vor allem in den digitalen Bereichen der Gesellschaft wie dem Segment „Classifieds Media“ - erscheint fraglich, ob tatsächlich bereits ein eingeschwungener Zustand erreicht sein wird.

Angesichts eines für das letzte Planjahr 2024 veranschlagten Wachstums der einzelnen Bereiche zwischen 7 % und 14 % segmentbezogen beziehungsweise 10 % konzernweit erscheint ein plötzliches „Einbrechen“ dieses Wachstums auf den für die ewige Rente angenommenen Wachstumsabschlag in Höhe von 1,75 % der Kammer nicht plausibel.

Sollte vor diesem Hintergrund noch nicht von einem eingeschwungenen Zustand auszugehen sei, dürfte die Einfügung einer Konvergenzphase naheliegen. Offensichtlich ist die Problematik auch von der Bewertungsgutachterin sowie der Prüferin gesehen worden, ohne dass die entsprechenden Überlegungen allerdings hinreichend transparent geworden sind.

Zwar mag rein mathematisch der Ansatz eines höheren Wachstumsabschlags zu einem identischen Ertragswert führen. Grundsätzlich ist es aus bewertungstechnischer Sicht aber vorzugswürdig, die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen der Beharrungszustand erreicht ist, von der Frage zu trennen, in welcher Höhe ein dauerhafter Wachstumsabschlag anzusetzen ist.

2. a) Basiszinssatz

Der Sachverständige soll den zum Bewertungsstichtag maßgeblichen Basiszinssatz (erneut) ermitteln. Soweit dieser negativ ist, soll der Sachverständige sich zu der Problematik verhalten, ob wegen des theoretischen Unendlichkeitshorizonts einer Bewertung nach IDW S1 aus bewertungstheoretischer und ökonomischer Sicht dauerhaft von einem negativen Zinssatz ausgegangen werden kann. Dies erscheint insbesondere deswegen fraglich, als die Zinsentwicklung zum einen durch staatliche Eingriffe bedingt wurde und zum anderen Marktakteure kaum grundsätzlich und dauerhaft bereit sein dürften, eine Vergütung für die Überlassung von Geld zu zahlen.

b) Betafaktor

Der eigene (historische) Betafaktors der Gesellschaft ist erneut anhand aller verfügbaren Daten auf seine Verwertbarkeit zu analysieren.

Soweit der Sachverständige für die Bestimmung des zukünftigen Betas der Axel Springer SE gleichfalls auf eine oder mehrere Peer Groups abstellt, sind die von der Bewertungsgutachterin und der Barabfindungsprüferin verwendeten Unternehmen kritisch auf die Vergleichbarkeit der jeweils zugrunde liegenden Geschäftsmodelle mit den einzelnen Einheiten des Springer-Konzerns zu untersuchen. Soweit sich weitere börsennotierte Unternehmen identifizieren lassen, welche besser oder in gleichem Maße mit den Geschäftszweigen der Gesellschaft vergleichbar sind, sind auch diese hinsichtlich ihrer Eignung als Vergleichsunternehmen zu untersuchen und in die Peer Group aufzunehmen.

Hinsichtlich des Ergebnisses bei Verwendung einer Peer Group soll der Sachverständige sodann prüfen, ob ein so ermittelter Durchschnittswert unverändert zu übernehmen ist oder ob es sich aufgrund des in der Vergangenheit relativ stabilen Betafaktors der Axel Springer SE anbietet, im Rahmen der ohnehin vorzunehmenden Schätzung Anpassungen vorzunehmen. Hierbei sind auch die Einwände der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, dass der originäre Betafaktor „verzerrt“ gewesen ist und sich das Geschäftsmodell der Gesellschaft zum Ende des Detailplanungszeitraum zu sehr vom historischen Zuschnitt entfernt hat, um auf Vergangenheitsdaten zurückgreifen zu können.

c) Wachstumsabschlag

In Verbindung mit den Annahmen zur ewigen Rente ist die Höhe des angemessenen Wachstumsabschlags neu zu bestimmen.

3. Schließlich ist unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Begutachtung ein Abfindungsbetrag zu errechnen."

Das Landgericht hat Herrn Dr. Lars Franken, c/o IVC Independent Valuation & Consulting Aktiengesellschaft Wirtschafstprüungsgesellschaft, zum Sachverständigen bestellt.

LG Berlin II, Az. 102 O 13/21 SpruchG
Coriolix Capital GmbH u.a. ./. Traviata B.V.
59 Antragsteller 
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Peter Dreier, 40213 Düsseldorf
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte Freshfields Bruckhaus Deringer PartGmbB, 40545 Düsseldorf

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