OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Mai 2020, Az. 12 W 17/19
Leitsatz:
Die Unternehmensbewertung einer nicht mehr operativ tätigen vermögensverwaltenden
Gesellschaft oder einer Immobiliengesellschaft kann nach dem Net Asset Value-Verfahren
erfolgen.
Aus den Gründen:
„2) Ausschlaggebend ist vielmehr, dass durchgreifende
Sachgründe dafür sprechen, den Unternehmenswert hier nicht mithilfe der
Ertragswert-, sondern anhand der NAV-Methode zu schätzen.
(a) Bei der NAV-Methode handelt es sich um ein allgemein anerkanntes
Bewertungsverfahren, soweit es um die Bewertung von vermögensverwaltenden oder
Immobiliengesellschaften geht (OLG München, AG 2020, 56 [juris Rn. 52]; OLG
Frankfurt, ZIP 2017, 772 [juris Rn. 35]; Gutachten Vo S. 25). Als
Nettoinventarwert hat der NAV nach Maßgabe von § 168 KAGB zwischenzeitlich
Eingang in die gesetzliche Bewertung offener inländischer
Publikumsinvestmentvermögen gefunden (vgl. Kayser/Selinski in
Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB 2. Aufl. § 168 Rn. 10). (…)
(b) In Anbetracht der Unternehmensstruktur der Gesellschaft
erscheint es sachgerecht, der NAV-Methode gegenüber dem Ertragswertverfahren hier
den Vorzug zu geben.
Die Bewertung nach der NAV-Methode führt im Streitfall nicht
zu denselben Schwierigkeiten wie das Ertragswertverfahren. Der Ertragswert
bestimmt sich nach dem abgezinsten Zukunftsertrag des Unternehmens (BGH,
Beschluss vom 29.09.2015 - II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rn. 36). Die insoweit
erforderliche Bewertung des Zukunftsertrags führt im Falle von
vermögensverwaltenden Gesellschaften, insbesondere solchen, die in Immobilien
investieren, zu erheblichen Problemen, weil sich diese Unternehmen auch durch
einmalige Gewinne und Verluste aus Veräußerungsgeschäften auszeichnen (vgl. OLG
München, AG 2020, 56 [juris Rn. 54]); diese lassen sich kaum prognostizieren
und damit schwerlich im Ertragswertverfahren erfassen. Entsprechende
Schwierigkeiten stellen sich beim NAV-Verfahren nicht. Der NAV ergibt sich nach
den Ausführungen des sachverständigen Prüfers, die insoweit in Einklang mit der
obergerichtlichen Rechtsprechung stehen (vgl. OLG München, AG 2020, 56 [juris
Rn. 53, 94]; OLG Frankfurt, ZIP 2017, 772 [juris Rn. 31, 55]), aus der Summe
der Marktwerte der einzelnen Vermögensgegenstände abzüglich der
Verbindlichkeiten der Gesellschaft und des Barwerts der
gesamtunternehmensbezogenen Verwaltungskosten (Bericht Wa S. 11; Gutachten Vo
S. 25). Danach basiert er nicht auf der Unternehmensplanung der Gesellschaft
(Bericht Wa S. 11) und damit auch nicht auf Prognosen zu künftigen
Gesamterträgen; vielmehr ist jeder Vermögensgegenstand gesondert zu betrachten,
wobei die Einzelbewertung nach der Methode erfolgen kann, die jeweils passend
erscheint (OLG München aaO).
Die besonderen Probleme, die mit der Anwendung der
NAV-Methode einhergehen, stellen sich im konkreten Fall nicht. Eine zentrale
Schwäche des Ansatzes besteht darin, dass er etwaige Verbundvorteile zwischen
den einzelnen Vermögensgegenständen des untersuchten Unternehmens nicht
abbildet und damit bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt (OLG München aaO
Rn. 58). Dieser Nachteil wirkt sich hier indessen nicht aus, weil die Gesellschaft
laut der Einschätzung des sachverständigen Prüfers (Bericht Wa S. 14) keine
Synergieeffekte durch das Zusammenwirken von Anlagen erzielt, nachdem sie ihren
operativen Geschäftsbetrieb bereits vor Jahrzehnten eingestellt hat. Damit in
Einklang steht die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen, laut der
immaterielle Wertfaktoren bei der Gesellschaft keine oder allenfalls eine
untergeordnete Rolle spielen und es an einem Zusammenwirken der
Einzelinvestments fehle, aus dem sich ein Mehrwert gegenüber der Summe der
Einzelwerte ergäbe (Gutachten Vo S. 25, 153). So werde der Wert entsprechender
Unternehmen von untereinander unabhängigen Vermögensgegenständen und Schulden
sowie den daraus fließenden Zahlungsströmen bestimmt (Schreiben des
Sachverständigen Vo vom 18.03.2016, S. 2)."
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