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Donnerstag, 30. April 2020

LG Hamburg: Auch Börsenkurse im Freiverkehr stellen Untergrenze einer angemessenen Barabfindung dar

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Das LG Hamburg hat kürzlich in dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Softship AG die Barabfindung deutlich von EUR 11,66 auf EUR 14,35 je Stückaktie angehoben, siehe: https://spruchverfahren.blogspot.com/2020/03/spruchverfahren-zum-squeeze-out-bei-der_7.html

In seiner Entscheidung (Beschluss vom 17. Februar 2020, Az. 403 HKO 144/18) stellt das Gericht auf den durchschnittlichen Börsenkurs im maßgeblichen Referenzzeitraum (drei Monate vor der Ankündigung der Strukturmaßnahme) als Untergrenze einer angemessenen Abfindung ab. Die Softship-Aktien waren früher an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert und wurden danach im Freiverkehr in Hamburg gehandelt.

Nach Auffassung des LG Hamburg sind auch die im Freiverkehr gebildeten Kurse als Untergrenze einer angemessenen Barabfindung maßgeblich. Das Gericht führt hierzu in der Entscheidung aus:

"Schließlich ist der Börsenkurs als Mindestbetrag einer angemessenen Abfindung nicht deshalb zu verwerfen, weil die Aktien ohne Zutun der S. AG ausschließlich im Freiverkehr der Hamburger Börse gehandelt wurden. Zwar trafen die S. AG mit dem schon 2014 erfolgten Ausscheiden aus dem regulierten Markt nicht mehr die damit verbundenen Folgepflichten wie Veröffentlichung des Jahresabschlusses und eines Zwischenberichts für die ersten sechs Monate des Geschäftsjahrs sowie Ad-hoc-Publizität und Mitteilungspflicht gemäß § 21 WpHG. Die hierdurch bewirkte geringere Informationseffizienz des Kapitalmarkts führt aber nicht dazu, dass der im Freiverkehr gebildete Börsenkurs nicht mehr den Verkehrswert der Aktie wiedergeben würde. Zwar weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass die Gleichstellung von Börsen- und Verkehrswert in der DAT/Altana-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch mit der Überlegung begründet wurde, dass die Börse auf Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens zutreffend bewertet und sich daher Angebot und Nachfrage so regulieren, dass sich die Marktbewertung im Börsenkurs niederschlägt (BGHZ 147, 108, juris-Rn. 19). Mit dieser Überlegung hat es jedoch nicht sein Bewenden. Denn das Aktieneigentum wird ganz wesentlich durch seine Verkehrsfähigkeit geprägt, die sich insbesondere durch den Börsenhandel eröffnet (BVerfGE 100, 289 juris-Rn. 62 – DAT/Altana). Der Vermögensverlust, den der Minderheitsaktionär durch die Aufgabe des durch seine Handelbarkeit geprägten Aktieneigentums erleidet, muss aus verfassungsrechtlichen Gründen vollen Umfangs entschädigt werden. Das bedeutet, dass der ausscheidende Minderheitsaktionär als Abfindung für den Verlust seiner Aktien nicht weniger erhalten darf, als er ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Mehrheitsaktionärs bei einem Verkauf erlöst hätte (BVerfG, a.a.O., juris-Rn. 63). Dieser Zusammenhang, dass der Aktionär nicht weniger erhalten darf, als er bei einer freien Deinvestitonsentscheidung erhalten hätte, wird auch vom Bundesgerichtshof anerkannt (BGHZ 147,108, juris-Rn. 29 a.E.).

Nach allem bildet der durchschnittliche umsatzgewichtete Börsenkurs von EUR 14,35, der sich im Referenzzeitraum im Freiverkehr der Hamburger Börse gebildet hat, die Untergrenze einer im Sinne von § 327a AktG angemessenen Barabfindung. Wie ausgeführt lag keine Marktenge vor, die den einzelnen Aktionär darin gehindert hätte, bei einer freien Deinvestitionsentscheidung, die er im Referenzzeitraum getroffen hätte, eben diesen Vermögenswert für seine Aktie zu erlösen."

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