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Sonntag, 29. September 2019

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der SCA Hygiene Products SE abgeschlossen: Es bleibt bei der Erhöhung der Barabfindung durch das LG München I (+ 9,45%)

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

In dem Spruchverfahren zu dem 2013 beschlossenen Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der SCA Hygiene Products SE (früher: PWA AG) hatte das Landgericht München I mit Beschluss vom 31. Mai 2016 den Barabfindungsbetrag je SCA-Aktie von 487,81 EUR auf EUR 533,93 angehoben (+ 9,45%), siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/06/spruchverfahren-zum-squeeze-out-bei-der_1.html.

Gegen diese erstinstanzliche Entscheidung hatten sowohl die nunmehr als Essity Group Holding B.V. firmierende Antragsgegnerin, als auch mehrere Antragsteller Beschwerden eingelegt. Das OLG München hat nunmehr mit Beschluss vom 2. September 2019 die beiderseitig eingelegten Beschwerden zurückgewiesen. Damit bleibt es bei der erstinstanzlich festgelegten Erhöhung der Barabfindung.

Der umsatzgewichtete Börsenkurs der SCA-Aktie vor der ad hoc gemeldeten Squeeze-out-Absicht lag bei EUR 340,83 je Aktie. Als Barabfindungsbetrag wurden aufgrund einer Ertragswertberechnung zunächst EUR 468,42 angeboten und dieser Betrag aufgrund des zum Stichtag von 2,5 % auf 2,25 % gesunkenen Basiszinssatzes auf EUR 487,81 nachgebessert.

Das OLG München akzeptiert (wie bereits in früher entschiedenen Fällen) die vom Landgericht von 5,50 % auf 5 % reduzierte Marktrisikoprämie (S. 33 ff). Der Wert von 5 % liege im Schnittbereich beider Empfehlungen des FAUB (von 2009 und von 2012).

OLG München, Beschluss vom 2. September 2019, Az. 31 Wx 358/16
LG München I, Beschluss vom 31. Mai 2016, Az. 5 HK O 14376/13
Helfrich u.a. ./. Essity Group Holding B.V. (früher: SCA Group Holding B.V.)
113 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Wolfgang Hahn, 90431 Nürnberg
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte Gibson, Dunn & Crutcher LLP (früher: Rechtsanwälte Freshfields Bruckhaus Deringer)
Auftragsgutachterin: PwC
sachverständige Prüferin: Warth & Klein Grant Thornton 

9 Kommentare:

H. Edelmann hat gesagt…

Aber wie bekommen die vom Squeeze-out betroffenen Minderheitsaktionäre jetzt die Nachentschädigung? Und wie steht es mit Zinsen auf den bisher vorenthaltenen Betrag?

RA Martin Arendts hat gesagt…

In der Regel wird der ausgeurteilte Nachbesserungsbetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von der Antragsgegnerin über die Depotbanken der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre ausgeglichen. Bei einem zwischenzeitlichen Wechsel der Depotbank muss man ggf. die Antragsgegnerin direkt zur Zahlung auffordern.

Weigert sich die Antragsgegnerin in unberechtigter Weise, die Nachbesserung zu zahlen, kann der berechtigte ehemalige Minderheitsaktionär Leistungsklage nach § 16 SpruchG erheben. Hierfür ist der im Spruchverfahren erstinstanzlich zuständige Spruchkörper (Kammer für Handelssachen) zuständig.

H. Edelmann hat gesagt…

Nachzahlungspflichtig ist eine niederländische Gesellschaft. Man kann vermuten, dass deutsche
Depotbanken nicht von sich aus wegen der Nachentschädigungsansprüche ihrer deutschen Depotkunden tätig werden. Demnach scheint es notwendig, dass Nachzahlungsberechtige ihre Ansprüche direkt bei der niederländischen Schuldnerin geltend machen. Eine offene Frage dazu ist auch, ab wann in diesem speziellen Fall Zinsen auf den Nachzahlungsbetrag laufen. Die Spruchverfahrens-Entscheidung des Landgerichts ist dazu nicht vollständig wiedergegeben
und lässt den Zinsanspruch leider nicht erkennen.

RA Martin Arendts hat gesagt…

Der Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Nachbesserungsbetrag besteht von Gesetzes wegen. Die mit Spruchverfahren befassten Gerichte handhaben die Erwähnung unterschiedlich. Teilweise wird der Zinsanspruch ausdrücklich tenoriert (d.h. in dem Entscheidungsausspruch erwähnt), z.T. findet er sich allenfalls in den Entscheidungsgründen.

Wie auch immer: Eine Entscheidung in einem Spruchverfahren gestaltet nur die Rechtslage, stellt aber keinen Leistungstitel dar. Wenn die Hauptaktionärin/Antragsgegnerin nicht zahlen sollte, muss man als Minderheitsaktionär Leistungsklage nach § 16 SpruchG erheben. Hierfür ist der im Spruchverfahren erstinstanzlich zuständige Spruchkörper (Kammer für Handelssachen) zuständig, bei SCA also die 5. Handelskammer der LG München I.

H. Edelmann hat gesagt…

Nach § 14 SpruchG hat der Hauptaktionär, hier wohl die holländische Essity Group BV, die rechtskräftige Entscheidung des Spruchverfahrens bekanntzumachen. Im elektronischen Bundesanzeiger ist offenbar eine solche Bekanntmachung bisher nicht erfolgt. Hat eine
nicht erfolgte Bekanntmachung rechtliche Bedeutung oder Konsequenzen? Gibt es für die
Leistungsklage nach § 16 SpruchG eine Frist? Können die im Spruchverfahren vom gemeinsamen
Vertreter vertretenen Minderheitsaktionäre die Klage nach § 16 SpruchG eigenständig erheben
oder kann das für sie nur der gemeinsame Vertreter machen? Hier scheint es ja praktisch
ein Minenfeld zu geben, wenn der laut Spruchverfahrensentscheidung nachzahlungspflichtige
Hauptaktionär womöglich einfach nichts tut und keine Nachzahlung leistet. Dann hätte die
Spruchverfahrensentscheidung eventuell nur theoretische Bedeutung ohne reales Ergebnis...

H. Edelmann hat gesagt…

Laut Techn. Hinweisen der Essity Group B.V. sollte die szt. Depotbank am 21.10.2019 die zustehende Nachzahlung und die Zinsen dem Berechtigten vergüten. Szt. Depotbank hat in
meinem Fall bis heute nichts vergütet und auf briefliche Reklamation von letzter Woche noch nicht geantwortet. Es bleibt zu hoffen, dass szt. Depotbank die Nachbesserung nachträglich
leistet, wobei eigentlich neue Zinsen abzurechnen wären. Falls Depotbank weiterhin nichts
unternimmt, muss am Ende gar noch die Essity Group B.V. in Regress genommen und womöglich
in Amsterdam verklagt werden. Das wäre doch sehr ärgerlich und umständlich.

RA Martin Arendts hat gesagt…

Bei den meisten ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre ist wohl inzwischen gezahlt worden. Bei einem Wechsel der Depotbank kann es ggf. etwas länger dauern (u.a. ein Grund für meinen Vorschlag, in Squeeze-out-Fällen Nachbesserungsrechte mit eigener WKN einzubuchen).

In Amsterdam müssen Sie allerdings nicht klagen. Weigert sich die Antragsgegnerin in unberechtigter Weise, die Nachbesserung zu zahlen, kann der berechtigte ehemalige Minderheitsaktionär grundsätzlich eine sog. Leistungsklage nach § 16 SpruchG erheben. Hierfür ist der im Spruchverfahren erstinstanzlich zuständige Spruchkörper (Kammer für Handelssachen) ausschließlich zuständig.

H. Edelmann hat gesagt…

Auf wiederholte Reklamation hat meine Depotbank, die das auch schon zur Zeit des Squeeze-out
war, inzwischen mitgeteilt, dass die Nachzahlung am 11.12.2019 meinem Konto gutgeschrieben
worden sei. Anscheinend hatte die Depotbank die Abwicklungshinweise im Bundesanzeiger vom
7.11.2019 nicht gesehen oder diese nicht mit meinem Sqeeze-out-Fall in Verbindung gebracht.
Eine Abrechnung der Nachzahlung habe ich allerdings bis heute nicht erhalten.
Auf den § 16 SpruchG hatten Sie, hochgeschätzter Herr RA Arendts, ja schon hingewiesen. Ach,
ich scheine auch vergesslich zu sein in dieser hektischen-ruhigen Zeit!

H. Edelmann hat gesagt…

Betreffende Depotbank hat mir den Nachbesserungsbetrag tatsächlich am 11.12.2019 auf dem Girokonto gutgeschrieben. Eine besondere Abrechnung hat sie dazu nicht gemacht, vielmehr
zur Gutschrift angegeben: "Umbuchung". Anscheinend hat die Depotbank zunächst auf irgendein
anderes Konto eingebucht, statt auf meines. Nun könnte ich ja noch Restzinsen fordern, weil
die Zahlung an mich erst am 11.12.2019 erfolgte, aber das lasse ich möglicherweise auf sich
beruhren.