von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
In dem Spruchverfahren zu dem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bei der (früheren) AMIRA Verwaltungs AG hat das LG München I die Abfindungsprüfer mit Beschluss vom 10. November 2022 um ein Ergänzungsgutachten gebeten. Die Prüfer sollen dabei insbesondere die im Termin vom 20. Oktober 2022 offenen gebliebenen Fragen beantworten. Das Ergänzungsgutachten soll bis spätestens 30. Dezember 2022 bei Gericht eingegangen sein.
Der Fragenkatalog des Gerichts betrifft insbesondere das Immobilieneigentum in Münchener Bestlage, den Aktien-und Goldbestand sowie die Verwaltungskosten, deren Höhe von Antragstellerseite gerügt worden war:
"1. Perusastraße 7:
a. Hätten nicht Erträge aus dem Erhalt von vorhandener Bausubstanz und/oder geplantem Neubau bei der Wertermittlung einfließen müssen?
b. Woraus erklärt sich der deutlich niedrigere marktkonforme Bodenwert von 68.880,-- €/m² nach dem Ertragswertverfahren im Vergleich zu einem marktkonformen Bodenwert von 100.499,04 €/m² beim Nachbargrundstück Perusastraße 5/Residenzstraße 9?
c. Aufgrund welcher Rahmendaten der Neubebauung führen Abriss und Neubau zu höheren Werten gegenüber der Weitervermietung, wenn im Ertragswertverfahren mit dem Liquidationswertverfahren identische Bodenwerte angesetzt wurden?
d. Müssten nicht auch die durch einen Neubau zu schaffenden weiteren Mietflächen von 400 m² berücksichtigt werden entsprechend IVA Tz. 203 mit einem Mietansatz von 40 €/m² für Büromieten und 280 €/m² für Einzelhandelsflächen, was sich mit dem Ansatz für die umgebaute Immobilie Perusastraße 5 /Residenzstraße 9 decke?
e. Ist beim Objekt Perusastraße 7 eine Wertermittlung nach Liquidationswert zulässig? Übersteigt gegebenenfalls der freigelegte Bodenwert den Ertragswert?
f. Müsste nicht ein deutlich höherer Wert als € 74,4 Mio. (= 28.500,-- €/m²) angesetzt werden, weil der Gutachterausschuss schon in 2017 für Büro- und Geschäftshäuser in zentraler Lage Werte zwischen € 24.000,-- und € 38.000,-- ermittelt hatte und die Grundstückspreise seitdem deutlich gestiegen sind, zumal der Gutachterausschuss im Marktbericht 2020 eine Spanne von € 31.800,-- bis € 56.650,-- nennt?
g. Lässt die Immobilienbewertung nach dem corona-bedingten Einbruch in QI – III/2020 die Aufholeffekte in QIV/2020 außer Betracht, wonach das Mietaufkommen für Büromieten weiter gestiegen sei, so dass von einer stabilen Entwicklung der Durchschnitts- wie auch der Spitzenmieten nicht gesprochen werden könne?
h. War es fehlerhaft, auf die Daten zum 30.9.2020 abzustellen bei einer Bewertung zum 24.2.2021?
i. Müsste nicht auch ein Liegenschaftszins von maximal 1,2 % für die Neuimmobilie ausgewiesen werden müssen? Wurden dabei die Objekt- und Lagequalität beider Objekte angemessen berücksichtigt?
j. Müsste nach der umfassenden Sanierung und Modernisierung des Bestandsgebäudes und der Teilerrichtung eines rückwärtigen Neubaus, für die Kosten von € 7,1 Mio. abgezogen wurden, von einer verlängerten modifizierten Restnutzungsdauer von 50 Jahren ausgegangen werden müssen?
k. Lässt nicht der Erwerb der Immobilien von außenstehenden Dritten weit oberhalb der üblichen Bandbreite und bei konzerninternen Verschiebungen unterhalb oder am unteren Ende der Bandbreite den Rückschluss auf eine zu niedrige Bewertung zu? Oder gibt es sachliche Gründe, die die Unterschiede rechtfertigen? Haben die Prüfer Erkenntnisse über eine Verringerung der Nutzfläche in der Weinstraße 6?
l. Lagen den Abfindungsprüfern Machbarkeitsstudien o.ä. im Hinblick auf die Sa-
nierung und Modernisierung sowie Teilerrichtung eines rückwärtigen Neubaus bei der Perusastraße 7 vor und wurden diese geprüft? Ist eine Sanierung bei der Ermittlung der Restnutzungsdauer berücksichtigt worden? Falls ja, von welcher Restnutzungsdauer sind die Abfindungsprüfer ausgegangen? Welcher Qualitätsstichtag ist in diesem Fall zugrunde gelegt worden?
m. Wurden bei den Verwaltungskostenansätzen die Vorgaben der Gutachterausschussverordnung i.V.m. den Feststellungen des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Bereich der Landeshauptstadt München berücksichtigt? Wenn nein – warum nicht?
2. Komplex Perusastraße 5 / Residenzstraße 9:
Wurden die realisierbaren Mieten von 27,76 €/m² für die aktuelle Nutzung wie auch für das Umsetzungsszenario mit 43,88 €/m² zu niedrig angesetzt, weil die marktübliche Spitzenmiete auch entsprechend der Markteinschätzung von IVA deutlich höher liege, nachdem es sich um den zweitbesten Standort Münchens handele und die Überecknutzung mit Zugang über Perusa- und Residenzstraße vorteilhaft sei?
3. Aktien- und Goldbestand
a. Wie lautet der Dreimonatskurs der Aktien bis zum Tag vor der Hauptversammlung am 24.2.2021?
b. Müsste beim Goldbestand nicht auf den Durchschnitt aus An- und Verkaufskurs der BayernLB abgestellt werden zum Stichtag der HV, so dass dieser € 47.773,12 je kg und damit insgesamt € 5,972 Mio. statt nur € 5,815 Mio. betrage?
4. Verwaltungskosten
a. Sind die angesetzten Verwaltungskosten zu hoch, weil die Amira AG nur ein Depot mit zwei verschiedenen Aktien (Allianz und Royal Dutch) hält und auch ihr Immobilienportfolio hochwertig und sehr übersichtlich ist, wobei die Vermögensgegenstände dauerhaft gehalten werden, weshalb der Verweis auf Vermögensverwaltungsgebühren bei Mischportfolios nicht tragfähig sein könne?
b. Kommt es zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung der Verwaltungskosten namentlich in Bezug auf die Kosten für die kaufmännische Verwaltung als Teil der Personalkosten von insgesamt € 430.000,-- wie auch von Instandhaltungsrückständen, wenn deren Barwert ermittelt wurde und ihr Großteil schon bei der Ermittlung des Werts der einzelnen Vermögensgegenstände eingeflossen ist, wie sich aus dem Gutachten Perusastraße 5, Seiten 118 und 135 ergebe? Wie hoch war gegebenenfalls die Rückstellung für unterlassene Instandhaltung für Zwecke der Anteilsbewertung?
c. Sind Verwaltungskosten in Höhe von nahezu 10 % des Gesamtwerts bei einer Gesellschaft ohne operatives Geschäft nicht deutlich überhöht?
d. War es fehlerhaft, bei den Verbindlichkeiten latente passive Steuern anzusetzen, weil dies bei einer bestandshaltenden Immobiliengesellschaft ohne konkrete Verkaufsabsichten unzulässig sei und angesichts einer nur geplanten Änderung der Nutzungskonzepte der Net Reinstatement Value zur Anwendung gelange?
e. Wie setzen sich die künftigen Verwaltungskosten in Höhe von € 675.000,-- im Detail zusammen?
f. Sind Bürobetriebskosten in Höhe von € 120.000,-- p.a. bei 2 Vorstandsmitgliedern nicht deutlich überhöht?
g. Wofür fallen kaufmännische Verwaltungskosten in Höhe von € 190.000,-- p.a. an?
5. Sonstige Rügen
a. Müsste es nicht zu einer Bereinigung der latenten Steuern kommen, weil die Gesellschaft keine Verkäufe ihrer Vermögenspositionen plant?
b. War es fehlerhaft, die Anteile an verbundenen Unternehmen zum Niederstwertprinzip zu bewerten, weil dadurch mögliche stille Reserven in den Anteilen unberücksichtigt blieben?
c. Worauf beruht die Bewertung der Pensionsrückstellungen nach IFRS angesichts der Kommunikation einer Bewertung nach HGB gegenüber den Kapitalmärkten?"
LG München I, Az. 5 HK O 8626/21
SCI AG u.a. ./. AMIRA VERWALTUNGS SE (früher: Blitz 11-263 SE)
25 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Prof. Dr. Matthias Schüppen
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB, 80333 München