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Samstag, 13. Februar 2021

Landgericht Köln will Sachverständigengutachten eines Hochschulprofessors zum objektivierten Unternehmenswert gemäß IDW S 1: Wert nach IDW S 1 nur Mindestwert für das Unternehmen?

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

In dem Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Deutschen Postbank AG hat das LG Köln in einem ungewöhnlichen Schritt angekündigt, die Tragfähigkeit des von dem Wirtschaftsprüferverein Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) veröffentlichten Standards zur Unternehmensbewertung IDW S 1 von einem Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Unternehmensbewertungslehre überprüfen zu lassen. In dem einzuholenden Gutachten soll geprüft werden, ob der objektivierte Unternehmenswert gemäß IDW S 1 das Bewertungsziel, entsprechend § 327a AktG der Verkehrswert des Unternehmens, erreicht. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der theoretische Marktpreis zu schätzen, d.h. der Erlös, der bei einer Veräußerung des Unternehmens im Ganzen zu erzielen wäre.

Das Landgericht äußert Zweifel, ob der IDW S 1 tatsächlich in der Betriebswirtschaftslehre anerkannt wird, und führt hierzu aus:

"Die Kammer hat aufgrund der breiten Kritik der Betriebswirtschaftslehre an dem objektivierten Unternehmenswert gemäß IDW S 1 erhebliche Zweifel, ob dieser Wert in der Theorie anerkannt ist, wovon in gerichtlichen Entscheidungen nahezu ausnahmslos ausgegangen wird. Danach stellen Verlautbarungen des IDW eine anerkannte Expertenauffassung dar und bilden als Expertenauffassung eine Erkenntnisquelle für das methodisch zutreffende Vorgehen bei der fundamentalanalytischen Ermittlung des Unternehmenswerts.

Vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 05. Juni 2013 - 20 W 6/10 -, Rn. 144, juris

Derzeit geht die Kammer lediglich davon aus, dass der IDW S 1 von der eigenen Profession der Wirtschaftsprüfer anerkannt und angewendet wird, nicht aber von der Betriebswirtschaftslehre theoretisch anerkannt wird. Theoretisch anerkannt ist lediglich die von dem IDW S 1 zugrunde gelegte Ertragswertmethode, nicht aber der objektivierte Unternehmenswert gemäß IDW S 1. Die Ertragswertmethode führt jedoch nicht ohne weiteres zu richtigen und theoretisch anerkannten Werten, sondern nur zu zweckadäquaten Werten.

Vgl. Böcking/Rauschenberg in: Fleischer/Hüttermann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2019, Betriebswirtschaftliche Bewertungstheorie, § 2, Rn. 2, 15.

(...) 

Nach derzeitiget Einschätzung der Kammer bildet der objektivierte Wert gemäß IDW S 1 lediglich den Mindestwert für das Unternehmen ab.  Dieser Wert kann noch unter den subjektiven Grenzpreisen der Minderheitsaktionäre liegen, zu denen sie ohne Nachteil ausscheiden können. Erst recht bildet der objektivierte Unternehmenswert keinen Verkehrswert im Sinne von § 194 BauGB bzw. 9 Abs. 2 BewG ab."

Das LG Köln will den Sachverständigen daher um Beantwortung folgender Fragen bitten:

"1. Kann der objektivierte Unternehmenswert gemäß IDW S 1 aus theoretischer Sicht als tragfähige Annäherung an den Verkehrswert des Unternehmens gelten?

2. Kann der objektivierte Unternehmenswert gemäß IDW S 1 aus theoretischer Sicht als tragfähige Annäherung an den Grenzpreis der Minderheitsaktionäre gelten?

3. Gegebenenfalls:

a. Ist eine tragfähige Ermittlung des Verkehrswerts des Unternehmens mit theoretisch akzeptierten Bewertungsmethoden möglich?

b. Mit welchen Bewertungsmethoden - ggf. auch in paralleler Anwendung - lässt sich eine bestmögliche Annäherung an den Verkehrswert des Unternehmens erreichen?

c. Können dabei Fair Value- oder Fairness Opinion-Ansätze Berücksichtigung finden?

d. Ist eine Typisierung subjektiver Eigenschaften (z.B. ein markttypischer Erwerber) zu Annäherung an den Verkehrswert möglich? Welche Typisierung ist dann sachgerecht?

e. Oder müssten zumindest zwei typisierte Entscheidungswerte (Grenzpreis eines Verkäufers und Grenzpreis eines Käufers) in eine Annäherung an den Verkehrswert eingehen?"

Die Beteiligten können bis zum 17. März 2021 Stellung nehmen.

Spruchverfahren zu dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag:
LG Köln, Az. 82 O 77/12
Meilicke u.a. ./. DB Beteiligungs-Holding GmbH (früher: DB Finanz-Holding GmbH)

Spruchverfahren zu dem Squeeze-out:
LG Köln, Az. 82 O 2/16
Krystofiak u.a. ./. Deutsche Bank AG

jeweils gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Dr. Klocke, Köln

Verfahrensbevollmächtigte der jeweiligen Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte Hengeler Mueller, 60323 Frankfurt am Main

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