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Mittwoch, 28. Oktober 2020

Bundesgerichtshof entscheidet abschließend zum Squeeze-out bei der Wella AG: Anhebung der Barabfindung auf EUR 93,30 je Stammaktie und EUR 93,84 je Vorzugsaktie

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Das Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der früheren Wella AG zugunsten einer Tochtergesellschaft von Procter & Gamble hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem nunmehr zugestellten Beschluss vom 15. September 2020 abschließend entschieden. Der BGH hat die Barabfindung auf EUR 93,30 je Wella-Stammaktie und auf EUR 93,84 je Vorzugsaktie festgesetzt. Im Vergleich zu dem von der Mehrheitsaktionärin angebotenen Betrag von lediglich EUR 80,37 für beide Aktiengattungen ist dies eine deutliche Nachbesserung (+ 16,08 % bzw. + 16,76 %). Der jeweilige Nachbesserungsbetrag ist mit 2 %-Punkten über dem Basiszinssatz bis Ende August 2009 und mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. September 2009 (Änderung des § 327b Abs. 2 AktG) zu verzinsen.

In dem Verfahren hatte das LG Frankfurt am Main in der I. Instanz maßgeblich auf eine Kapitalisierung der in dem zuvor abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BuG) festgelegten Ausgleich abgestellt. In der Beschwerdeinstanz wartete das OLG Frankfurt am Main zunächst eine erhoffte Klärung durch den BGH ab (in dem Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Nestlé Deutschland AG: BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016, Az. 11 ZB 25/14). Nach Auffassung des BGH ist der anteilige Unternehmenswert jedenfalls dann maßgeblich, wenn er höher ist der Ausgleichszahlungen aufgrund des BuG. Insoweit könne nicht alleine auf eine Kapitalisierung der Ausgleichszahlungen abgestellt werden.

In seinem Vorlagebeschluss vom 20. November 2019 wies das OLG darauf hin, dass es die sofortigen Beschwerden der Antragsteller für zulässig und begründet hält (siehe: https://spruchverfahren.blogspot.com/2019/12/spruchverfahren-zum-squeeze-out-bei-der.html). Allerdings weiche der Senat mit seiner Absicht, die angemessene Abfindung werde vorliegend vom Barwert der Ausgleichszahlungen als Mindestwert bestimmt, von der Absicht anderer Oberlandesgerichte ab, wonach dieser Barwert für die Abfindung nach § 327b AktG generell unmaßgeblich sei. Nach der letztgenannten Absicht wäre aufgrund des niedrigeren Ertragswerts der Börsenkurs maßgeblich, so dass sich die angemessene Barabfindung auf lediglich EUR 81,56 je Stammaktie und EUR 80,39 je Vorzugsaktie beliefe. Diese Rechtsfrage habe der BGH in seiner Nestlé-Deutschland-Entscheidung vom 12. Januar 2016 ausdrücklich offen gelassen. Aufgrund der beabsichtigten und entscheidungserheblichen Abweichung von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte sei die Sache daher dem BGH gemäß § 28 FGG in der bis zum 31. August 2009 gültigen und hier nach Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG maßgeblichen Fassung vorzulegen.

Mit seiner Entscheidung folgt der BGH dem vorlegenden OLG Frankfurt am Main. Die angemessene Barabfindung könne nach dem Barwert der aufgrund eines BuG dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichzahlungen bestimmt werden, wenn dieser höher sei als der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts.

BGH, Beschluss vom 15. September 2020, Az. II ZB 6/20
OLG Frankfurt am Main, Az. 21 W 77/14
LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. Juli 2014, Az. 3-05 O 277/07
Helfrich u.a. ./. Procter & Gamble Germany GmbH und Co. Operations oHG
83 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA/StB Walter L. Grosse, 80333 München
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Procter & Gamble Germany GmbH und Co. Operations oHG: Rechtsanwälte Gleiss Lutz, 70173 Stuttgart

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