von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Die aktionaersforum service GmbH (www.spruchverfahren-direkt.de) lud am 20. Mai 2015 zu dem Symposium Spruchverfahren 2015 in die Bundeshauptstadt gleich neben dem Brandenburger Tor (in dem von Frank O. Gehry in seinem dekonstruktivistischen Stil gestalteten futuristischen Axica Kongresscentrum). Mit diesem neu lancierten Format will man offenbar auch die Abgeordneten in unmittelbarer Nähe erreichen. So stellte etwa der Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU) seinen Gesetzesvorschlag für Delisting-Fälle vor (eine entsprechende Ergänzung des Spruchverfahrensgesetzes).
Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch einen Vortrag von Prof. Dr. Eric Nowak (Swiss Finance Institute), der auf die entscheidende Bedeutung des Anlegerschutzes für einen funktionierenden Kapitalmarkt verwies (Marktkapitalisierung proportional zum Anlegerschutz) und hierbei die sehr schlechte Positionierung der Rechtslage in Deutschland im „Doing Business Report“ der Weltbank erwähnte.
Dem schloss sich eine Podiumsdiskussion zur Ausgestaltung des Spruchverfahrens an. Prof. Dr. Drygala führte die unterschiedlichen Kritikpunkte an Spruchverfahren (als "rechtsgeleitete Unternehmensbewertung") aus Unternehmens- und Aktionärsseite an (wobei die Verfahrensverzögerung insbesondere durch die seit 2009 geänderte Verzinsungsregelung „abgefrühstückt“ sei). Grundsätzlich entspreche eine materielle Nachbewertung durchaus internationalen Standards, wobei keine generelle Akzeptanz des Börsenkurses festzustellen sei. Es gebe eine Bandbreite vertretbarer Bewertungen, so dass ein Gutachten nur eine Scheingewissheit vermitteln könne. Ein Problem sei, dass jeder gerade noch plausibel hergeleiteter Unternehmenswert akzeptiert werde. Eine bessere Lösung sei eine hälftige Teilung des Unsicherheitsbetrags. Ein Abstellen auf den Börsenkurs als maßgebliche Bezugsgröße würde den Rechtsschutz erheblich verkürzen. Problematisch sei dies vor allem in Delisting- und Squeeze-out-Fällen, bei denen das Unternehmen am Kapitalmarkt keine Resonanz gefunden habe. Prof. Dr. Wenger verwies in der Diskussion darauf, dass es einen Bewertungsabschlag gebe, der in die Börsenkurse eingepreist sei. Vom inneren Wert sei ökonomisch gesehen eine „Option“ zu Lasten der Minderheitsaktionäre abzuziehen. Der Markt kapiere das sehr genau. Als Kontrapunkt merkte Herr Wirtschaftsprüfer Wollny an, das in von ihm bearbeiteten Einzelfällen die Minderheitsaktionäre „vergoldet“ worden seien, d.h. mehr bekommen hätten als einen rein wirtschaftlich zu vertretenden Betrag. Die bislang von der Rechtsprechung vertretene Unbeachtlichkeit außerbörslicher Erwerbe hielt Herr Prof. Drygala für nicht einleuchtend.
Als weiterer Punkt kam in einem Panel die Situation nach dem Frosta-Urteil des BGH zur Sprache (Aufgabe der Macrotron-Rechtsprechung für Delisting-Fälle). Der Bundestagsabgeordnete Prof. Hirte verweis dabei auf seinen eingangs erwähnten Gesetzesvorschlag, den er als „Anker“ für eine Diskussion verstanden haben wollte. Mit einer von ihm vorgeschlagenen knappen Ergänzung des Spruchverfahrensgesetzes setze man auf einen bewährten Überprüfungsmechanismus. Prof. Drgala merkte in diesem Zusammenhang an, dass man – gesetzestechnisch noch kürzer – auch den Wegfall der Börsennotierung durch eine Ergänzung des § 3 Abs. 2 Aktiengesetz als Formwechsel gelten lassen könnte. Dann würde das Delisting wie ein Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz behandelt.
In einem weiteren Panel setzte sich der Wirtschaftprüfer Prof. Dr. Martin Jonas mit der Frage „Vertragsprüfer oder im Verfahren bestellter Sachverständiger“ auseinander (wobei er Zweifel an dem Sinn der Fragestellung äußerte). Ein Prüfer werde bei einer Befragung im Spruchverfahren seine Meinung nicht ändern, sondern lediglich detaillierter erläutern. Nach seiner Ansicht wäre es sinnvoll, den Prüfer besser zu positionieren, etwa durch entsprechende Auflagen durch das Gericht. Die beste Motivation für eine kritische Prüfung sei die Aussicht, bei der späteren Befragung im Spruchverfahren „gegrillt zu werden“. Jonas erläuterte später, dass die (späteren) Antragsteller „gedanklich mit am Tisch säßen“, wenn die Bewertung mit dem Auftragsgutachter und der Gesellschaft besprochen werde. Hierzu merkte Rechtsanwalt Jahn an, dass es nach der Rechtsprechung bereits einen relativen Ablehnungsgrund darstelle, wenn ein Sachverständiger einen Termin nur mit einer Partei vereinbare.
Eine Fundamentalkritik am bisherigen System äußerte Prof. Wenger in der Podiumsdiskussion am Nachmittag. Das Spruchverfahren habe als Instrument des Minderheitenschutzes komplett versagt. Die „phantasievollen Vorstellungen des IDW zu angeblichen Aktienrenditen“ seien haltlos, wobei er auf die Laufzeitfehler der Stehle-Studie verwies. Die Idee einer konstanten realen Marktrendite sei absurd. Als Fazit forderte Wenger eine Abschaffung des Spruchverfahrens und eine „Rückkehr zu eigentumsrechtlichen Grundprinzipien“ entsprechend der Regelungen zum börsenrechtlichen Squeeze-out. Einen gesellschaftrechtlichen Squeeze-out solle es nur bei Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Minderheitsaktionäre geben. Prof. Drygala verwies darauf, dass es hinsichtlich des in 99% der Fälle angewandten IDW-Standards keine "blinde Gefolgschaft" der Gerichte gebe, sondern diese sich in Beschlüssen von z.T. mehr als 100 Seiten mit der Bewertung auseinandersetzten. Allerdings fände nur die "Mainstream Corporate Finance Theory" Berücksichtigung. Mehr Methodenoffenheit sei wünschenswert, wobei er auf die Best Practice Empfehlungen des DVFA verwies. Prof. Wenger verwies darauf, dass es weniger auf den Standard, sondern vielmehr darauf ankomme, dass die richtigen Parameter verwendet würden (wofür er Zustimmung erntete).
Im dem abschließenden Panel zu Verfahrensfragen war man sich einig, dass die Verkürzung des Instanzenwegs für Spruchverfahren wenig Sinn mache. Kontrovers diskutiert wurde lediglich, wie man die Besetzung des „Spruchkörpers“ verbessern und die Ressourcenausstattung verbreitern könne.
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