Vorstand und Aufsichtsrat der ProSiebenSat.1 Media SE lehnen die Forderungen der MFE-MEDIAFOREUROPE N.V. für die Hauptversammlung am 30. April 2024 ab. Die von der italienischen Berlusconi-Familie kontrollierte MFE hat Anträge u.a. zur Aufspaltung des Unternehmens, zur Besetzung des Aufsichtsrats und zur Beschränkung des genehmigten Kapitals eingebracht. Die Gesellschaft hat heute die entsprechenden Stellungnahmen von Vorstand und Aufsichtsrat auf ihrer Website veröffentlicht.
Auch mit Blick auf den vom zweiten großen Minderheitsaktionär PPF IM LTD vorgeschlagenen Kandidaten für die Wahl in den Aufsichtsrat hält der Aufsichtsrat an seinen eigenen Wahlvorschlägen fest.
Unterföhring, 27. März 2024
Aufspaltung des Unternehmens nicht im besten Interesse aller Aktionär:innen
Vorstand und Aufsichtsrat der ProSiebenSat.1 Media SE verfolgen seit einem Jahr konsequent die Strategie der Fokussierung auf das Entertainment-Segment. Der Vorstand prüft laufend mögliche Schritte und bereitet im Hinblick auf einzelne Beteiligungen der Segmente Commerce & Ventures sowie Dating & Video entsprechende Verkäufe vor. Dies soll im Interesse der Gesellschaft und aller Aktionär:innen wertmaximierend erfolgen, nicht zuletzt um mittels der Veräußerungserlöse die Verschuldung und den Verschuldungsgrad der Gesellschaft erheblich zu reduzieren. Vorstand und Aufsichtsrat halten die von MFE geforderte Aufspaltung des Unternehmens für nicht sinnvoll. Als Folge der Aufspaltung würde sich der Verschuldungsgrad der Gesellschaft erheblich auf bis zu 4,1x adjusted EBITDA (Basis 2023) erhöhen und damit strategische Akquisitionen ebenso unmöglich machen wie eine übliche Dividendenpolitik.
Eine Aufspaltung anstelle eines Verkaufs von Beteiligungen würde daher der notwendigen Fortentwicklung des Kerngeschäfts mittelfristig schaden und damit einer markt- und wettbewerbsgerechten Aufstellung des Konzerns entgegenstehen. Die Aufspaltung liegt damit nach Auffassung von Vorstand und Aufsichtsrat im singulären Interesse von MFE, nicht aber im Interesse aller übrigen Aktionär:innen.
Neben den genannten Effekten sind Vorstand und Aufsichtsrat davon überzeugt, dass nach der von MFE vorgeschlagenen Aufspaltung auch solche Unternehmen (wie SevenVentures, die die erfolgreichen "Media for Equity"- und "Media for Revenue"-Modelle betreibt, oder marktguru) abzuspalten wären, bei denen mit einem Wegfall erheblicher Werbesynergien zwischen der ProSiebenSat.1 Group und den abgespaltenen Beteiligungen in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe zu rechnen wäre, was eine unmittelbare Wertvernichtung zur Folge hätte. Würden – wie von MFE gefordert – alle Portfoliounternehmen des Commerce & Ventures- und Dating & Video-Segments mit allen Vermögenswerten auf die neue Gesellschaft übertragen, hätte dies eine entsprechende Reduzierung des Unternehmenswerts von ProSiebenSat.1 zur Folge. Bei gleichzeitig unveränderter Nettoverschuldung würde der Eigenkapitalwert der ProSiebenSat.1 Media SE daher entsprechend sinken. Die Marktkapitalisierung des verbleibenden Unternehmens wäre infolgedessen voraussichtlich äußerst gering, was auch negative Auswirkungen auf die Attraktivität der ProSiebenSat.1-Aktie hätte.
Außerdem würde die durch die Aufspaltung entstehende neue Gesellschaft als Beteiligungsholding aus Sicht von Vorstand und Aufsichtsrat über keine attraktive "Equity Story" für institutionelle Investoren im Kapitalmarkt verfügen, da diese Gesellschaft aus einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Finanzprofilen bestünde. Dies hätte voraussichtlich einen erheblichen Konglomeratsabschlag zur Folge und würde sodann im nächsten Schritt wahrscheinlich erneut zu entsprechenden Verkäufen und damit einer Zerschlagung der abgespaltenen Gesellschaft führen. Zudem bestünde die Gefahr, dass die Handelbarkeit der Aktie aufgrund des geringen Free-Floats eingeschränkt wäre, zumindest aber bereits der Handel kleinerer Positionen zu erheblichen Kursreaktionen führen könnte.
Aufgrund all dieser Aspekte sind Vorstand und Aufsichtsrat zur Einschätzung gekommen, eine solche Aufspaltung nicht zu empfehlen. Stattdessen ziehen sie die klare Fokussierung auf den wertmaximierenden Verkauf der relevanten Beteiligungen vor, die – vorbehaltlich des Marktumfeldes – über die nächsten 12 bis 18 Monate erfolgen soll.
Veränderungen in der Besetzung des Aufsichtsrats würde zu möglichen Interessenkonflikten und einer Überrepräsentation der großen Minderheitsaktionäre führen
MFE verlangt, das Aufsichtsratsmitglied Prof. Dr. Rolf Nonnenmacher, der auch Vorsitzender des Prüfungsausschusses ist, durch den ehemaligen italienischen EY-Wirtschaftsprüfer Simone Scettri zu ersetzen. Außerdem hat MFE den ehemaligen italienischen Citibank-Investmentbanker Leopoldo Attolico als weiteren Kandidaten für den Aufsichtsrat nominiert. PPF wiederum schlägt Christoph Mainusch als Kandidaten vor.
Rolf Nonnenmacher ist einer der renommiertesten deutschen Wirtschaftsprüfer und ein ausgewiesener Experte auf den Gebieten der Rechnungslegung, der internen Kontroll- und Risikomanagementsysteme und der Abschlussprüfung. Als ehemaliger Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und langjähriger Vorsitzender der Prüfungsausschüsse von im DAX gelisteten Unternehmen verfügt er über herausragende Kenntnisse und Erfahrungen in allen Aufgaben eines Prüfungsausschusses und genießt in Fachkreisen höchstes Ansehen.
Simone Scettri war MFE zufolge über einen Zeitraum von knapp 20 Jahren bis 2022 in leitenden Funktionen für EY in Italien tätig. EY Deutschland war von 2019 bis 2023 Abschlussprüfer der ProSiebenSat.1 Group und auch von Jochen Schweizer mydays. EY hat in dieser Zeit Verstöße gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bei Jochen Schweizer mydays nicht beanstandet. Die ProSiebenSat.1 Media SE wird eine Inanspruchnahme von EY prüfen müssen. Dies birgt die offensichtliche Gefahr eines Interessenkonflikts bei Simone Scettri.
Mit Katharina Behrends und Klára Brachtlová gehören dem Aufsichtsrat derzeit bereits zwei Mitglieder an, die direkte und enge Verbindungen zu MFE bzw. PPF haben. Ferner hatte MFE dem Aufsichtsrat Thomas Ingelfinger im letzten Jahr als Kandidaten für die Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschlagen und der Aufsichtsrat hatte diesem Wunsch nach Prüfung der Qualifikation von Thomas Ingelfinger und seiner Unabhängigkeit im Sinne des Deutschen Corporate Governance Kodex – auch unter Berücksichtigung der Höhe der Beteiligung von MFE an der Gesellschaft – entsprochen. Würde die Hauptversammlung den Vorschlägen von MFE und PPF folgen, würde nachfolgend die Mehrheit der Mitglieder im Aufsichtsrat enge Beziehungen zu den beiden größten Aktionären der Gesellschaft haben bzw. wäre von diesen vorgeschlagen worden, obwohl beiden Aktionären zusammengerechnet nicht die Mehrheit am Aktienkapital gehört.
Beschränkung des genehmigten Kapitals vermindert Handlungsmöglichkeiten
MFE fordert, das derzeit bestehende genehmigte Kapital aufzuheben und durch ein neues, deutlich eingeschränktes genehmigtes Kapital zu ersetzen. Dadurch sollen bestimmte marktübliche Möglichkeiten zur Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsauschluss gestrichen werden. Dies würde der Gesellschaft die Möglichkeit nehmen, neues Eigenkapital schnell und flexibel aufzunehmen oder neue Aktien als Gegenleistung für mögliche Akquisitionsvorhaben einzusetzen. Vorstand und Aufsichtsrat sind der Überzeugung, dass dies nicht im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionär:innen ist. Vielmehr würde dies im ausschließlichen Interesse von MFE dazu dienen, eine prozentuale Verwässerung der Beteiligung von MFE an der Gesellschaft durch für die Gesellschaft und die Gesamtheit ihrer Aktionär:innen sinnvolle Maßnahmen zu verhindern.
Satzungsänderung kann zu geschäftskritischen zeitlichen Verzögerungen führen
Wie in Deutschland allgemein üblich, sieht die Geschäftsordnung des Vorstands von ProSiebenSat.1 bestimmte Geschäfte vor, zu deren Vornahme der Vorstand der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Damit ist eine Einbindung des Aufsichtsrats in wesentliche Unternehmensentscheidungen bereits heute und wie in börsennotierten Unternehmen üblich gewährleistet. MFE möchte die Satzung nun dahingehend ändern, dass bestimmte bereits in der Geschäftsordnung vorgesehene zustimmungsbedürftige Geschäfte in der Satzung festgeschrieben und damit der Kontrolle des Aufsichtsrats über die Ausgestaltung dieser Zustimmungserfordernisse entzogen werden. Eine solche Verlagerung von Zustimmungsvorbehalten in die Satzung der Gesellschaft würde den Aufsichtsrat daran hindern, diese künftig ohne Befassung der Hauptversammlung an veränderte Umstände oder Gegebenheiten anzupassen. Damit würde dem Aufsichtsrat insofern die gerade in börsennotierten Unternehmen wichtige Aufgabe der Kontrolle über zustimmungsbedürftige Geschäfte genommen. Vorstand und Aufsichtsrat lehnen die von MFE vorgeschlagene Satzungsänderung daher ab.
Zusammenfassend sind Vorstand und Aufsichtsrat der ProSiebenSat.1 Media SE der Ansicht, dass die genannten Anträge nicht zur Wertsteigerung der Gesellschaft beitragen, sondern im Gegenteil das Risiko einer Wertminderung für die Gesellschaft bzw. ihre Aktionär:innen beinhalten.
Alle weiteren Informationen wie Ergänzungsverlangen, Gegenanträge und die Stellungnahmen von ProSiebenSat.1 Media SE finden Sie unter: www.prosiebensat1.com/Hauptversammlung