Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz plant, die Anwendung des COVID-19-Gestzes gemäß der Ermächtigung bis zum 31.12.2021 zu verlängern.
Die SdK lehnt eine solche Verlängerung wegen der mittlerweile unverhältnismäßigen Beschränkung von Aktionärsrechten im Vergleich zu einer Präsenzhauptversammlung ab. Zwar verkennt auch die SdK angesichts der aktuellen Situation der Corona-Pandemie und der sich hieraus ergebenden Unsicherheiten für die Lage im Jahr 2021 die Notwendigkeit nicht, das Instrument einer virtuellen HV zur Verfügung zu stellen und hiermit auch für die Unternehmen Rechtssicherheit zu schaffen. Allerdings erfordert diese Flexibilität keine derartig tiefgreifenden Einschnitte in die Aktionärsrechte.
Wesentliche Erwägungen für die mit der COVID-19-Notfallgesetzgebung verbundenen tiefen Einschnitte in die Aktionärsrechte stellten die nicht rechtzeitige Bereitstellung der notwendigen technischen Infrastruktur für die Einräumung aller Aktionärsrechte sowie die mangelnde auch technische Erfahrung mit dem virtuellen Format dar.
Mag die Richtigkeit dieser Erwägungen bei einem High-Tech-Standort wie der Bundesrepublik Deutschland schon für die HV-Saison 2020 zweifelhaft gewesen sein, vermögen diese Überlegungen für die HV-Saison 2021 nicht mehr zu tragen. Die Unternehmen hatten und haben noch Zeit, um die notwendige technische Infrastruktur für eine digitale/virtuelle Hauptversammlung unter Wahrung der Aktionärsrechte zu schaffen. Hierbei können sich die Unternehmen die Erfahrungen aus der dem Jahr 2020 durchaus zunutze machen.
Auch wenn die SdK einer „virtuellen“ Hauptversammlung mit allerdings starken Aktionärsrechten für die HV-Saison 2021 auf Basis der gegenwärtigen Kenntnis über die weitere mögliche Entwicklung der COVID-19-Pandemie positiv gegenübersteht, darf dies nicht als Zustimmung zu einer virtuellen Hauptversammlung als Regelhauptversammlung verstanden respektive missverstanden werden.
Die von einigen Seiten geforderte Fortentwicklung des Formats der Hauptversammlung benötigt eine grundlegende Diskussion aller beteiligten Gruppen unter Wahrung der Souveränität des Aktionariats, die nicht nur ein mögliches Wie, sondern als erstes einmal das Ob einer solchen Fortentwicklung in all seinen Facetten beleuchtet. Hierbei sind die besonderen Funktionen der Präsenzhauptversammlung als Forum der persönlichen Kommunikation mit der Verwaltung, aber der Aktionäre untereinander sowie als Instrument der Meinungsbildung zu beachten. Es wird immer wieder Beschlussvorschläge geben, die die Verschaffung eines unmittelbaren Eindrucks vom Gegenüber erfordern.
Eine Diskussion zur Fortentwicklung der Hauptversammlung kann sinnvollerweise nicht unter dem Primat der virtuellen Hauptversammlung nach dem COVID-19-Gesetz erfolgen, sondern muss seinen Ausgangspunkt in der Präsenzhauptversammlung als gesetzlichem Normalfall nehmen.
Die SdK sieht mit Besorgnis das Bestreben einzelner Kräfte, die virtuelle Hauptversammlung in der Ausformung des COVID-19-Gesetzes als Blaupause für ein Zukunftsmodell der Hauptversammlung als das „new normal“ unter Hinweis auf die guten Erfahrungen in der HV-Saison 2020 nutzen zu wollen.
Die wohl überwiegend guten Erfahrungen in der HV-Saison 2020 mit dem virtuellen Format nach dem COVID-19-Gesetz sind einem besonnen und verantwortungsvoll handelnden Aktionariat zu verdanken, dass der für alle unbekannten Notfallsituation als Notfallsituation Rechnung getragen hat. Darin ein Einverständnis des Aktionariats zur Etablierung einer virtuellen Hauptversammlung zu sehen, wäre allerdings verfehlt.
Die ausführliche Stellungnahme der SdK beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist unter unseren SdK-Stellungnahmen einsehbar.
Für Rückfragen stehen wir unseren Mitgliedern gerne unter 089 / 2020846-0 oder info@sdk.org zur Verfügung.
München, den 28. September 2020
SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
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