Im Zusammenhang mit dem Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre (Squeeze out) der Süd-Chemie AG sieht die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. (SdK) gravierende Verstöße bei der Ermittlung der Abfindungszahlung durch die eingeschalteten Wirtschaftsprüfer Warth & Klein und KPMG.
Obwohl die Wirtschaftsprüfer zum Bewertungsstichtag eine in Bezug auf die Abfindungshöhe relevante Zinsänderung des Basiszinssatzes testierten, versagten sie einer sich daraus bedingten Anhebung der Abfindungszahlung ihre Anerkennung. Damit haben sich die Wirtschaftsprüfer nach Ansicht der SdK gegen gültige Standards des IDW S 1 hinweggesetzt und gegen die Wirtschaftsprüferverordnung (§ 43 Absatz 1 WPO ) verstoßen. Die SdK hat daher bei der Wirtschaftsprüferkammer einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die beiden Wirtschaftsprüfer gestellt und auch ein Spruchverfahren zur gerichtlichen Bestimmung des Abfindungspreises für betroffene Süd-Chemie Aktionäre eingeleitet.
Ausführliche Erläuterung
Am 22. November 2011 wurde auf der Hauptversammlung der Süd-Chemie AG der Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre auf Bestreben des Mehrheitsgesellschafters Clariant beschlossen. Das deutsche Aktiengesetz sieht in solchen Fällen eigentlich den Schutz der Interessen der Minderheitsaktionäre durch die Prüfung des Abfindungsangebotes durch einen unparteiischen Wirtschaftsprüfer vor. Im Fall der Süd-Chemie AG wurde für diese Prüfung die Warth & Klein Grant Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Warth & Klein) bestellt und zwar auf Vorschlag des Hauptaktionärs Clariant. Statt die Interessen der Minderheitsaktionäre zu vertreten, verfolgt Warth & Klein aber offenbar nur die Interessen des Hauptaktionärs, eine möglichst geringe Abfindung an die Minderheitsaktionäre zahlen zu müssen.
Warth & Klein hat in seinem vermeintlichen Prüfungsbericht vom 22. September 2011 bei Geltung eines Basiszinssatzes von 3,5 % einen Unternehmenswert von 125,26 Euro als angemessene Abfindung bestätigt. Maßgeblich für die Abfindung der Minderheitsaktionäre ist aber der Unternehmenswert am Tag der Beschluss fassenden Hauptversammlung. Bis zur Hauptversammlung am 22. November 2011 sank der Basiszinssatz auf 2,75 %. Dies wurde von Warth & Klein in einer Stichtagserklärung auch bestätigt. Dort heißt es, dass der Basiszins gerundet bei 3 % liegen würde. Vorstand und Aufsichtsrat der Süd-Chemie AG haben darüber hinaus einhellig bestätigt, dass sie trotz der gesunkenen Zinsen weiter vom Erreichen ihrer Planung ausgehen. Durch die Senkung des Basiszinssatzes hätte der Unternehmenswert der Süd-Chemie AG deutlich ansteigen und die Abfindung umgehend erhöht werden müssen. Unseren Berechnungen zur Folge stiege die Abfindung, allein wegen des zu niedrigen Basiszinssatzes, auf 132 Euro je Aktie. Warth & Klein verweigerte in seiner Stichtagserklärung aber eine Nachbesserung der auf Basis des ursprünglichen Basiszinssatzes festgelegten Abfindung.
Die Regeln der Wirtschaftsprüfer für die Ermittlung von angemessenen Unternehmenswerten sind an dieser Stelle aus der Sicht der SdK jedoch eindeutig. In ihrem Wirtschaftsprüferstandard zur Bewertung von Unternehmen (IDW S 1) heißt es: "Für den objektivierten Unternehmenswert ist bei der Bestimmung des Basiszinssatzes von dem landesüblichen Zinssatz für eine (quasi-)risikofreie Kapitalmarktanlage auszugehen." Als am 22. September 2011 - und in den Jahren zuvor - die Zinsen noch hoch waren, wurde diese Regel auch von Warth & Klein befolgt.
Heute, bei gesunkenem Zinsniveau, heißt es bei Warth & Klein in der Stichtagserklärung lapidar: "Wir haben die Entwicklung des Basiszinssatzes der letzten Wochen und Monate analysiert und sind […] zu dem Schluss gekommen, dass diese nicht repräsentativ für die Ableitung eines nachhaltigen Kapitalisierungszinssatzes sein kann. Im Ergebnis führt ein aus unserer Sicht angemessener Kapitalisierungszinssatz auf keinen Fall dazu, dass der innere Wert der Süd-Chemie Aktie die festgelegte Abfindung übersteigt".
Es darf nach Auffassung von Warth & Klein offenbar "auf keinen Fall" sein, dass die Abfindung der Minderheitsaktionäre erhöht werden muss. Zu diesem Zweck ist Warth & Klein wohl sogar bereit, reale Fakten wie das tatsächlich momentane Zinsniveau zu ignorieren. Obwohl in einem durchschnittlichen Monat Anleger Gelder in Höhe von rund 548 Mrd. Euro zu diesem Zinssatz anlegen, sagt Warth & Klein, dass dieser Zinssatz nicht repräsentativ sein könne. An dieser Stelle wird nach Meinung der SdK gegen die eigenen Regeln des Standes der Wirtschaftsprüfer verstoßen. Landesübliche Zinssätze werden ignoriert, weil Abfindungen "auf keinen Fall" erhöht werden dürfen. Als Krönung muss dann noch mit angesehen werden, dass Warth & Klein die Planungen des Managements der Süd-Chemie AG bei der Bestimmung des Unternehmenswertes ignorierte und stattdessen zu Lasten der Minderheitsaktionäre eigene Berechnungen angestellt hat.
Aufgrund dieses ungeheuerlichen Verhaltens zu Lasten der Minderheitsaktionäre hat die SdK vor der Wirtschaftsprüferkammer über die Anwaltskanzlei Dreier Riedel Rechtsanwälte eine Berufspflichtverletzung der Warth & Klein und der KPMG AG, dem Erstprüfer in diesem Zwangsausschlussverfahren, der dieselbe Verhaltensweise an den Tag legte, angezeigt und die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bzw. die Weiterleitung an die Berufsgerichte beantragt. Parallel hat die SdK ein Spruchverfahren eingeleitet, um für ihre Mitglieder die Abfindungszahlung in einem gerichtlichen Spruchverfahren überprüfen lassen.
SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
16. Dezember 2012
Quelle: www.sdk.org
Pressekontakt: Lars Labryga, labryga@sdk.org, Tel.: 089 - 20 20 846 28
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