Rechtssatz:
Mit Nachbesserungszertifikaten ist das Recht auf Auszahlung der sich aus dem Überprüfungsverfahren ergebenden Zuzahlung verbunden, nicht aber Schadenersatzansprüche gegen den Hauptaktionär, etwa wegen allfälliger Verletzung des Gleichbehandlungsgebots.
Die klagende Partei ist eine auf Nachbesserungsrechte spezialisierte Beteiligungsgesellschaft. Die beklagte Partei war Hauptaktionärin einer AG, deren Hauptversammlung 2007 beschloss, die Minderheitsaktionäre mittels eines Squeeze-outs gegen Zahlung einer Barabfindung aus der Gesellschaft auszuschließen. Einige der ausgeschlossenen Aktionäre bekämpften diesen Beschluss mit einer Anfechtungsklage. Mit diesen schloss die Hauptaktionärin daraufhin einen Vergleich, in dem sie sich zur Zahlung von EUR 137,94 pro Aktie verpflichtete. Beim Handelsgericht Wien ist ein noch laufendes Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit dieser Barabfindung anhängig.
Aufgrund der Einleitung dieses Überprüfungsverfahrens wurde jedem Aktionär ein Wertpapier mit ISIN – und damit ein Nachbesserungsrecht – eingebucht. Eine Investmentbank erwarb diese Nachbesserungsrechte und verkaufte sie 2018 an die klagende Beteiligungsgesellschaft. Diese war der Ansicht, dass als Inhalt des Kaufvertrags auch alle mit den Nachbesserungsrechten verbundenen Rechte übergehen. Die Beteiligungsgesellschaft begehrte nun von der Hauptaktionärin die Aufzahlung auf jenen Betrag, den die klagenden Minderheitsaktionäre im Zuge des Vergleichs erhielten. Die Hauptaktionärin verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung zwischen Aktionären und mache sich daher schadenersatzpflichtig.
Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) wies die Klage ab: Die Vertragsparteien gingen im Regelfall nicht davon aus, dass mit der Übertragung eines Wertpapiers auch andere Ansprüche des ehemaligen Aktionärs als eine eventuelle Nachzahlung aufgrund des Überprüfungsverfahrens auf den Erwerber übergehen. Beim Handel mit Nachbesserungsrechten liege eine Wette auf den Ausgang des laufenden Preisüberprüfungsverfahrens vor: Der Käufer hoffe auf einen für ihn positiven Ausgang des Überprüfungsverfahrens, der Veräußerer wolle hingegen seinen potenziellen Anspruch “versilbern” und den von ihm gewünschten Betrag erhalten. Der Erwerb von Nachbesserungszertifikaten bringt daher nicht das Recht mit sich, Schadenersatzansprüche gegen den Hauptaktionär – etwa wegen allfälliger Verletzung des Gleichbehandlungsgebot – geltend zu machen.
Anmerkung von RA Martin Arendts, M.B.L.-HSG:
In den meisten österreichischen Squeeze-out-Fällen werden den enteigneten Minderheitsaktionären für die Nachbesserungsrechte Wertpapiere mit eigener ISIN eingebucht. Dies hat erhebliche Vorteile bei länger laufenden Verfahren (vielfach über 10 Jahre), bei denen ein Nachweis aus unterschiedlichen Gründen schwierig sein kann (Wechsel der Depotbank, kürzere Aufbewahrungsfristen, Erbfall etc.). Auch ermöglicht dies ein "Versilbern" (so die bildliche Terminologie des OGH) durch den Inhaber (der nicht länger auf eine Zahlung warten kann oder will) bzw. umgekehrt eine Investitionsmöglichkeit in Nachbesserungsrechte als eigene Anlageklasse ("Wette" auf den Verfahrensausgang, nicht korrelierend zu den Aktienmärkten). In Deutschland ist die für Aktionäre vorteilhafte Vergabe einer eigenen Wertpapierkennnummer für Nachbesserungsrechte bislang an Clearstream gescheitert.
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