Dienstag, 21. Februar 2023

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Axel Springer SE: Eine der "signifikantesten Fehlbewertungen" der letzten Jahrzehnte?

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

In dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Axel Springer SE hat der vom Landgericht Berlin zum gemeinsamen Vertreter der nicht selbst antragstellenden ausgeschlossenen Minderheitsaktionären bestellte Rechtsanwalt Dr. Peter Dreier sehr drastisch die vorgelegte Unternehmensbewertung kritisiert. Gegenüber den Minderheitsaktionären wurde bei dem Squeeze-out argumentiert, dass der gesamte Axel-Springer-Konzern ca. EUR 6,50 Mrd. wert sei. Angesicht des geplanten IPO von StepStone (eine Jobbörse) ergebe sich jedoch allein für diese Einheit ein konservativ gerechneter Wert von EUR 8 Mrd. (20-faches EBITDA) bis zu EUR 10 Mrd. (25-faches EBITDA). Es handele sich damit offenkundig um eine der "signifikantesten Fehlbewertungen" im Rahmen von Strukturmaßnahmen der letzten Jahrzehnte. 
  
Neben StepStone sei auch ein Börsengang der Axel-Springer-Einheit AVIV (Immobilienportale) angekündigt worden. Der Vorstandvorsitzende von Axel Springer, Dr. Mathias Döpfner, habe eine Börsengang auch für andere Unternehmensteile, die nicht im publizistischen Bereich verortet sind, nicht ausschließen wollen (Interview mit Horizont).  

AVIV sei eines der weltweit größten Immobilientechnologieunternehmen. Das Tochterunternehmen Immowelt sei mit geringem Abstand die zweitgrößte deutsche Immobilienplattform. SeLoger sei die mit Abstand größte digitale Handelsplattform in Frankreich. AVIV sei wegen der höheren EBITA-Margen mit mindestens EUR 8 Mrd. zu bewerten.

Angesichts der aus seiner Sicht bestehenden gravierenden Fehlbewertung wendet sich der gemeinsame Vertreter gegen eine (sonst meist übliche) Anhörung des Angemessenheitsprüfers MAZARS. Aus Beschleunigungsgründen solle das Gericht direkt einen unabhängigen Sachverständigen mit einer umfassenden Neuwertung beauftragen. Er verweist dabei auf eine Beschluss in dem Spruchverfahren innogy, in dem MAZARS vom Gericht Voreingenommenheit vorgeworfen worden war (vgl. hierzu: https://spruchverfahren.blogspot.com/2022/03/spruchverfahren-zum-verschmelzungsrecht_30.html)

Die Enteignung der Minderheitsaktionäre der Axel Springer SE war durch die Traviata B.V., einem (formell) niederländischen Transaktionsvehikel des Private-Equity-Investors KKR, betrieben worden. Dieses hielt allerdings weniger als 50 % der Aktien der Gesellschaft (laut Mitteilung der Gesellschaft vom 23. Februar 2021 rund 48,5 %) und kam nur über sog. Wertpapierleihverträge mit den anderen Großaktionären Friede Springer und Dr. Mathias Döpfner zu einem für einen aktienrechtlichen Squeeze-out erforderlichen Anteil von mehr als 95 % - ein rechtlich etwas problematisches, aber in der Praxis immer beliebteres Vorgehen. 

LG Berlin, Az. 102 O 13/21 SpruchG
Coriolix Capital GmbH u.a. ./. Traviata B.V.
59 Antragsteller 
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Peter Dreier, 40213 Düsseldorf
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte Freshfields Bruckhaus Deringer PartGmbB, 40545 Düsseldorf

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