Fundstellen: BB 2023, 2754; DB 2023, 2814 - 2819; ZIP 2023, 2360 - 2370
Amtliche Leitsätze:
1. Die Durchführung eines Squeeze Out (§§ 327a ff. AktG) kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nur in eklatanten Fallgestaltungen als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Dies kommt etwa in Betracht, wenn deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der gesetzgeberische Zweck entfremdet und stattdessen ein anderweit aufgestelltes Verbot unterlaufen wird oder die beabsichtigte Maßnahme in ihrer Benachteiligung der Minderheit über das vom Gesetz vorgesehene Maß deutlich hinausgeht, wobei an den von den Minderheitsaktionären zu führenden Nachweis einer Zweckentfremdung hohe Anforderungen zu stellen sind.
2. Aktionäre, die die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers begehren (§ 142 Abs. 2 AktG), müssen ihren Aktienbesitz bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Sonderprüfung halten. Erfolgt ein sie betreffender Squeeze Out vor diesem Zeitpunkt, wird der Antrag unzulässig.
3. Wird durch einen Squeeze Out einem noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrag auf Sonderprüfung auf diesem Wege der Boden entzogen, kann dies den Squeeze Out rechtsmissbräuchlich machen, wenn konkreter tatsächlicher Anhalt dafür besteht, dass die Hauptaktionärin den Squeeze Out mit dem Ziel des Unterlaufens der Sonderprüfung betreibt.
4. Die Beschlussfassung über den Squeeze Out erfordert u.a. die Auslegung der festgestellten Jahresabschlüsse, nicht aber eines Jahresabschlusses, der lediglich vom Vorstand aufgestellt, jedoch bislang weder geprüft noch vom Aufsichtsrat gebilligt wurde.
5. Die Nichtabgabe eines Prüfungsurteils durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5 HGB) ermöglicht - anders als der Abbruch der Prüfung - eine formal ordnungsgemäße Beendigung der Prüfung und erlaubt damit auch die Feststellung des Jahresabschlusses.
Auszug des Tenors:
"Es wird gemäß § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 AktG festgestellt, dass die Erhebung der bei dem Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 94 O 44/23 (vormals 2 O 163/23, 56 O 27/23, 91 O 48/23, 94 O 81/23, 95 O 48/23, 95 O 64/23 und 102 O 22/23) anhängigen Klagen der Antragsgegner gegen den Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 28.04.2023 zum ersten Tagesordnungspunkt über die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der Antragstellerin auf die A. S.A. mit Sitz in L. gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gemäß §§ 327a ff. AktG der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister der Antragstellerin beim Amtsgericht Charlottenburg nicht entgegenstehen."
Auszug des Tenors:
"Es wird gemäß § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 AktG festgestellt, dass die Erhebung der bei dem Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 94 O 44/23 (vormals 2 O 163/23, 56 O 27/23, 91 O 48/23, 94 O 81/23, 95 O 48/23, 95 O 64/23 und 102 O 22/23) anhängigen Klagen der Antragsgegner gegen den Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 28.04.2023 zum ersten Tagesordnungspunkt über die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der Antragstellerin auf die A. S.A. mit Sitz in L. gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gemäß §§ 327a ff. AktG der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister der Antragstellerin beim Amtsgericht Charlottenburg nicht entgegenstehen."
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