Mittwoch, 23. August 2023

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der AUDI AG: LG München I ordnet Geheimhaltung der Margen für Verbrenner- und Elektromodelle an

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG 

In dem Spruchverfahren zu dem 2020 beschlossenen Squeeze-out bei der AUDI AG zugunsten von Volkswagen hatte das LG München I bei dem Verhandlungstermin am 27. April 2023 die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer, Herrn WP/StB Jochen Breithaupt und Frau WP/StB Sylvia Fischer, c/o Baker Tilly GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, angehört. Die Prüfer erklärten dabei, angeforderte Unterlagen zu den Margen für Verbrenner- und Elektromodelle nachzureichen.  

Die Antragsgegnerin Volkwagen AG beantragte daraufhin, Informationen zu Margen für Verbrenner- und Elektromodelle der AUDI AG den Antragstellern sowie der gemeinsamen Vertreterin nicht zugänglich zu machen. Bei den für 2025 geplanten Margen handele es sich um Geschäftsgeheimnisse. Interne Kalkulationen stellten Betriebsgeheimnisse dar, über die Verschwiegenheit zu wahren sei.

Mit Beschluss vom 17. August 2023 hat das Gericht eine entsprechende Geheimhaltung angeordnet. Der auf § 7 Abs. 7 Satz 2 SpruchG gestützte Antrag sei zulässig und begründet. Zum Geheimhaltungsbedürfnis führt das Gericht aus:

"Planzahlen wie die genaue Ermittlung der Margen der Fahrzeuge mit Verbrennermotor einerseits und der Elektrofahrzeuge gehören zu den Geschäftsgeheimnissen. Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar vorgetragen, dass aus einer weitergehenden Veröffentlichung von Planzahlen in größerer Detailtiefe strategische Überlegungen zur Planung Rückschlüsse auf Details der Geschäftstätigkeit zulassen; insbesondere könnten aus einer detaillierteren Planung von Umsätzen und Erträgen Rückschlüsse auf die Kalkulation der Preise gezogen werden (vgl. LG München I AG 201, 501, 502; Dorn in: Kölner Kommentar zum AktG, 4. Aufl. § 7 SpruchG Rdn. 76; Mennicke in: Lutter, UmwG § 7 SpruchG Rdn. 18). Vorliegend besteht auf der Ebene einzelner Fahrzeuge intern eine Ergebnisbeitragsmarge, wo bestimmte, den Modellen direkt zuordenbare Kosten Berücksichtigung finden. Aus derartigen kalkulatorischen Deckungsbeiträgen lässt sich ein gewichteter Durchschnittswert der Ergebnisbetragsmargen von Verbrennerfahrzeugen einerseits und Elektrofahrzeugen andererseits herleiten. Interne Deckungsbeiträge wären für Wettbewerber der Gesellschaft von hoher Bedeutung hinsichtlich des Einsatzes von Produktionsfaktoren und der Gestaltung von Preisstrategien. Auch wenn aufgrund neuerer Entscheidungen der Gesellschaft im Jahr 2022 einzelne Modelle mit Verbrennungsmotoren nicht mehr produziert werden, die in die Planung noch eingeflossen sind, bleibt aus den Zahlen die Tendenz erkennbar, wie sich die Bruttomargen entwickeln. Für die Wichtigkeit und damit Geheimhaltungsbedürftigkeit dieser Zahlen spricht auch die Tatsache, dass die AUDI AG diese Kennzahlen in ihren Finanzberichten nicht veröffentlicht. Der Umstand der Ernennung eines neuen CEO ändert daran auch nichts, selbst wenn neue Renditeanforderungen ausgegeben wurden, weil die langfristigen Tendenzen im Verhältnis des Verbrenner- zum Elektroantrieb dadurch nicht berührt werden.

Demgegenüber vermag das Interesse der Antragsteller nicht zu überwiegen. Für die Ableitung der Ergebnisse aus der Phase I ist das Preis-Mengen-Gerüst von zentraler Bedeutung, nicht dagegen die genauen Margen für die beiden aktuell am Markt erhältlichen Antriebsarten für die von der Gesellschaft produzierten Fahrzeuge. Auf die zentrale Bedeutung des Preis-Menge-Gerüsts unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten, der regionalen Wettbewerbssituation und der regionalen Veränderungen haben die Abfindungsprüfer im Rahmen der Anhörung auch hingewiesen."

LG München I, Az. 5 HK O 15162/20
Moritz, P. u.a. ./. Volkswagen AG
100 Antragsteller
gemeinsame Vertreterin: Rechtsanwältin Daniela Bergdolt, München
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Volkswagen AG:
Rechtsanwälte Linklaters, 40212 Düsseldorf

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