Donnerstag, 22. Juni 2023

Wild Bunch AG: Fehlerbekanntmachung für den gebilligten Konzernabschluss zum Abschlussstichtag 31. Dezember 2019

Bekanntmachung der BaFin

Die Finanzaufsicht BaFin hat bei ihrer Prüfung festgestellt, dass der gebilligte Konzernabschluss der in Berlin ansässigen Wild Bunch AG zum Abschlussstichtag 31. Dezember 2019 fehlerhaft ist. Die Bekanntmachung der BaFin erfolgt aufgrund § 109 Absatz 2 Satz 1 Wertpapierhandelsgesetz.

1. In der Konzernbilanz ist der Posten Geschäfts- oder Firmenwert (124,5 Millionen Euro) um 54 Millionen Euro zu hoch ausgewiesen. Die unterlassene Wertminderung verstößt gegen IAS 36.104(a), wonach ein Wertminderungsaufwand für eine zahlungsmittelgenerierende Einheit (ZGE) zunächst zu Lasten des Geschäfts- oder Firmenwerts zu erfassen ist, sofern deren erzielbarer Betrag geringer ist als ihr Buchwert.

Im Rahmen der Ermittlung des erzielbaren Betrags hat die Gesellschaft bei der Berechnung des Nutzungswerts entgegen IAS 36.44 in Verbindung mit IAS 36.74 nicht auf den gegenwärtigen Zustand der ZGE „Internationaler Vertrieb und Verleih sowie Filmproduktion“ abgestellt. Stattdessen hat sie zukünftige Mittelzu- und -abflüsse berücksichtigt, die auf einer Ausweitung der Geschäftstätigkeit und damit einer Erhöhung der Ertragskraft über den gegenwärtigen Zustand hinaus beruhen. Da es sich beim erzielbaren Betrag um den höheren der beiden Beträge aus beizulegendem Zeitwert abzüglich Kosten der Veräußerung und Nutzungswert handelt und der um die entsprechenden Mittelzu- und -abflüsse reduzierte Nutzungswert unter dem beizulegenden Zeitwert abzüglich Kosten der Veräußerung lag, war letzterer als erzielbarer Betrag mit dem Buchwert zu vergleichen.

2. Die Wild Bunch AG hat es unterlassen, für eine dem Vorstandsvorsitzenden für dessen Aktien an der Gesellschaft vom Mehrheitseigentümer eingeräumte Verkaufsoption eine Rechnungslegungsmethode zur Abbildung im Konzernabschluss zu entwickeln und anzuwenden. Die Ausübung der Verkaufsoption war an die weitere Tätigkeit des Vorstandsvorsitzenden im Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum geknüpft und daher bei wirtschaftlicher Betrachtung als Vergütung zu beurteilen. Im Zeitpunkt der Gewährung lag der finanzielle Vorteil aus der Verkaufsoption im Vergleich zum Marktpreis der Aktien bei 1,4 Millionen Euro.

Die unterlassene Entwicklung und Anwendung einer Rechnungslegungsmethode zur Abbildung der Verkaufsoption im Konzernabschluss des Jahres 2019 verstößt gegen IAS 8.10, wonach beim Fehlen eines IFRS, der ausdrücklich auf einen Geschäftsvorfall oder sonstige Ereignisse oder Bedingungen zutrifft, das Management darüber zu entscheiden hat, welche Rechnungslegungsmethode zu entwickeln und anzuwenden ist, um zuverlässige und entscheidungserhebliche Informationen zu vermitteln.

Hintergrundinformationen: 

  • IAS: Die International Accounting Standards sind Teil der vom International Accounting Standards Board (IASB) verabschiedeten International Financial Reporting Standards (IFRS). Unternehmen, deren Wertpapiere an einem organisierten Markt zugelassen sind, haben ihre Konzernabschlüsse nach IFRS zu erstellen.
  • ZGE: ZGE steht für Zahlungsmittelgenerierende Einheit: Eine ZGE ist die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten, die Mittelzuflüsse erzeugen, die weitestgehend unabhängig von den Mittelzuflüssen anderer Vermögenswerte oder Gruppen von Vermögenswerten sind.
  • Erzielbarer Betrag: Der erzielbare Betrag einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit ist der höhere der beiden Beträge aus beizulegendem Zeitwert abzüglich der Kosten der Veräußerung und des Nutzungswerts.
  • Beizulegender Zeitwert abzüglich Kosten der Veräußerung: Der Betrag, der erzielt werden könnte durch den Verkauf einer ZGE in einer Transaktion zu Marktbedingungen zwischen sachverständigen, vertragswilligen Parteien nach Abzug der Veräußerungskosten.
  • Nutzungswert: Der Nutzungswert ist der durch Abzinsung auf den Bewertungsstichtag ermittelte Barwert der künftigen Cashflows, der voraussichtlich aus einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit abgeleitet werden kann. 

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Anmerkung der Redaktion:

Zu diesem Fall siehe die Analyse von Dr. Carola Rinker "Sorgenkind Geschäfts- oder Firmenwert: Bafin schaut genau hin, Wirtschaftsprüfer nicht?": https://www.nwb-experten-blog.de/sorgenkind-geschaefts-oder-firmenwert-bafin-schaut-genau-hin-wirtschaftspruefer-nicht/

Bei der Wild Bunch AG war Anfang des Jahres ein Squeeze-out-Verlangen zurückgezogen worden. Die Hauptaktionärin Voltaire Finance B.V. hatte am 25. November 2021 (siehe Ad hoc-Mitteilung vom 25. November 2021) mitgeteilt, dass die Hauptversammlung der Wild Bunch AG die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf die Voltaire Finance B.V. als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen solle (sog. aktienrechtlicher Squeeze-out). Die Voltaire Finance B.V. hat dieses Verlangen nach einem aktienrechtlichen Squeeze-out allerdings im Januar 2023 widerrufen.

Mein Fazit: Durch so eine Vorgehensweise wird der Squeeze-out zu einer kostenlosen Option zugunsten des Hauptaktionärs, die diese ziehen kann oder auch nicht.

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