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Dienstag, 20. März 2018

Initiative Minderheitsaktionäre e.V.: Erfolgreiche Regierungsbildung - der Koalitionsvertrag ist für Aktionäre ein Schritt in die richtige Richtung, greift aber zu kurz

PRESSEMITTEILUNG

Berlin, 19. März 2018 - Anlässlich der Regierungsbildung in Berlin begrüßt die Anlegerschutzorganisation "Initiative Minderheitsaktionäre e.V." das Bekenntnis des Koalitionsvertrags, die Rechte von Minderheitsaktionären zu schützen sowie die Einführung von Musterfeststellungsklagen, um Verbrauchern in einer Vielzahl von Fällen die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Rechte effektiver durchzusetzen. Doch trotz der angekündigten Verbesserungen muss noch deutlich mehr getan werden, um diese Ziele zu erreichen. Das wird an den folgenden vier Punkten besonders deutlich:

1. Sehr positiv ist, dass der Koalitionsvertrag eine grundlegende Ausgangsbasis für den Gesetzgeber schafft, wenn es um Minderheitsaktionäre geht. Beim Beschlussmängelrecht, das die Kontrollrechte der Hauptversammlung in Aktiengesellschaften regelt, steht im Koalitionsvertrag folgendes: "Im aktienrechtlichen Beschlussmängelrecht werden wir im Interesse des Minderheitenschutzes und der Rechtssicherheit Brüche und Wertungswidersprüche beseitigen." Dies ist ein begrüßenswertes, langfristiges Bekenntnis zu Minderheitsaktionären in der Aktiengesellschaft. Diese haben schließlich ihre ursprünglichen Mitwirkungsrechte weitgehend verloren.

"Die Verpflichtung zum Minderheitenschutz ist ein ermutigender Schritt nach vorn. Wir werden weiterhin wachsam sein, um sicherzustellen, dass diese Verpflichtungen eingehalten werden. Den schönen Worten müssen nun durchdachte Gesetze folgen", sagt Robert Peres, Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre e. V. und fügt hinzu: "Die Aktionärsrechte sind über viele Jahre hinweg dramatisch beschnitten worden. So stellte etwa ein deutsches Gericht vor kurzem fest, dass die Durchführung eines Squeeze-Outs möglicherweise rechtsmissbräuchlich sei und der Mehrheitseigner damit gravierende Rechtsbrüche begangen hätte. Das geltende deutsche Recht führte das Gericht dennoch dazu, den Squeeze-Out anzuerkennen und die Eintragung im Handelsregister zuzulassen. Damit wurde der Squeeze-Out wirksam mit dem Ergebnis, dass die Minderheitsaktionäre ihre Beteiligung an der Gesellschaft verloren und zwar ungeachtet der rechtsmissbräuchlichen Handlungen des Mehrheitsaktionärs. Ein bizarrer und peinlicher Vorgang für einen Wirtschaftsstandort wie Deutschland. Die Initiative Minderheitsaktionäre e.V. hofft daher, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Wirtschaftsrecht des Deutschen Juristentages 2018 mit Blick auf die Aktionärsrechte konkrete Fortschritte bringen, die vom Gesetzgeber gehört und umgesetzt werden. Es bestehen massive Notwendigkeiten für eine Stärkung der Minderheitsrechte."

2. Das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren, das eine gerichtliche Überprüfung von Abfindungsangeboten bei Unternehmensübernahmen vorsieht, wird im Koalitionsvertrag als "langwierig und teuer" charakterisiert und soll evaluiert werden.

"Diese negative Beschreibung reflektiert die Interessen der Mehrheitseigner. Die Kritik am Spruchverfahren ist nicht neu. Sie zielt darauf ab, das Spruchverfahren abzuschaffen und damit die Abfindungen für herausgedrängte Aktionäre deutlich zu senken", sagt Robert Peres. Erfreulich aus Sicht der Initiative Minderheitsaktionäre ist dagegen, dass die Evaluierung "unter Berücksichtigung der Interessen von Minderheitsaktionärinnen und -aktionären sowie Kleinanlegerinnen und -anlegern" erfolgen soll. "Wir werden im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens sehr genau darauf achten, ob diese Interessen wirklich Berücksichtigung finden", so Peres.

3. Die nach Koalitionsvertrag geplanten Musterfeststellungsklagen beschränken die Klagebefugnis auf "qualifizierte Einrichtungen", das heißt zum Beispiel auf Verbraucherzentralen.

"Die Einführung echter Sammelklagen und angemessener Verfahren zur Beweiserlangung ist im Sinne von Verbrauchern und Anlegern überfällig", erklärt Robert Peres und erläutert: "Die Geschädigten können nach dem aktuellen Stand im Koalitionsvertrag nicht selbst den Weg zum Gericht nehmen. Damit haben sie keinen direkten Zugang zum Recht. Stattdessen werden weitere Hindernisse auf dem Weg zur Erlangung von Schadensersatz und Gerechtigkeit aufgebaut." Aktuell handele es sich lediglich um einen "gefühlten Rechtsbehelf". Peres weiter:"Aktionäre und Verbraucher brauchen endlich Waffengleichheit. Nur echte Sammelklagen mit adäquaten Offenlegungsverfahren für Beweise ermöglichen eine Gleichberechtigung hinsichtlich anwaltlicher Vertretung und Prozessökonomie. Das Beispiel Dieselgate hat gezeigt, dass amerikanische Verbraucher wesentlich besser geschützt sind."

4. Ein weiteres ungelöstes Problem sind die Börsenrückzüge (Delistings) von Unternehmen. Sie wurden 2015 zum Nachteil der Minderheitsaktionäre durch die damalige Große Koalition neu geregelt.

"Seitdem hat eine am Börsenwert festgestellte Entschädigung das Prinzip der Werthaltigkeit der Abfindung ersetzt und damit nicht nur einzelne Investoren, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft geschädigt", so Peres. Die Initiative Minderheitsaktionäre fordert daher die Rückkehr zur Anteilsbewertung durch ein Ertragswertverfahren. "Ohne die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung durch ein Spruchverfahren entsteht die Gefahr eines gigantischen Werttransfers von der Minderheit auf die Großaktionäre. Hier kann noch kurzfristig eine Korrektur erfolgen, wenn sich die SPD auf ihre Positionen vom Herbst 2015 besinnt", betont Peres. Das Verfahren zum Delisting steht derzeit wieder auf der Agenda im Finanzausschuss des Bundestages.

Die Initiative Minderheitsaktionäre e.V. freut sich auf die Fortsetzung eines konstruktiven Dialogs über diese Fragen, um einen Beitrag zur Ausgewogenheit der politischen Debatte zu leisten. Die Koalitionsvereinbarung macht einige positive Schritte nach vorn. Den ermutigenden Aussagen müssen nun Taten folgen.

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